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Zwischen Verinnerlichung und Ausgelassenheit

Tschechische Musik gestern und heute in den „Short Concerts“

Erst im Dezember startete die Musikhochschule Dresden die Reihe der „Short Concerts“, die einmal monatlich an einem Mittwoch stattfinden und Altes mit Neuem kombinieren. Bereits beim dritten Konzert durfte man erfreut feststellen, dass die Reihe längst kein Geheimtipp mehr ist: die Reihen in der Aula der Musikhochschule waren voll besetzt. Das Experiment des „kurzen Konzertes“ hat vor allem zur Folge, dass man etablierte Konzertformen überdenkt. Dabei entsteht allein aus der zeitlichen Verkürzung nicht etwa ein Defizit, sondern eine Intensivierung der Konzentration beim Hörer. Gerade neue Musik erschließt sich einem Publikum schwierig, wenn man sie mit gleich einem halben Dutzend Uraufführungen in endlos scheinenden Konzerten überfällt. Gepaart mit einem klassischen Werk werden zudem Bezüge deutlich, man stellt Fragen oder erhält automatisch Antworten. Im dritten Konzert waren tschechische Interpreten und Komponisten vertreten, Professor Ivan Zenaty und seine Begleiterin Katarina Zenata stellten Werke von Jiri Gemrot (geboren 1957) und Antonin Dvorak vor. Die den beiden Musikern gewidmete „Romanze“, die erst vor Jahresfrist entstanden ist, stellte sich als zerklüftetes Tongebirge dar – bitonale und ostinate Passagen, ausdrücklich „suchende“ Teile wechselten ab mit melancholischem Gesang, dem Zenaty auf der Guarneri-Violine starken Ausdruck verlieh. Katarina Zenata blieb am Klavier eine Weile sehr zurückhaltend, mit dem Fortschreiten des Werkes gelangen den beiden Musikern aber auch mehr und mehr dramatische Akzentuierungen. Rektor Stefan Gies wies in seiner Moderation auf die schwierig zu bestimmenden Lage der tschechischen Musik damals wie heute hin, so bildete sich eine Brücke zu Dvoraks Musik, die ohne die damalige Förderung im tschechischen Ausland heute längst nicht so bekannt wäre. Und auch in dessen Violinsonate F-Dur Opus 57 war ein Wechselspiel zwischen ausgelassenem Musikantentum und verinnerlichtem Nachsinnen sofort spürbar, dafür sorgte die ausgefeilte Interpretation der Musiker, lediglich der zweite Satz war doch sehr stark im Tempo zurückgehalten, dies passte aber wiederum zum ausgelassen böhmischen Ausklang der Sonate, in der beide Musiker mit Mut zum Risiko und höchst vital spielten. Dem nächsten Konzert am 5. April ist ein ebenso hohes Niveau und eine große Zuhörerschar zu wünschen.

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