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Wohlklingende Romantik

Anne-Sophie Mutter begeistert in der Semperoper

In unseren modernen Zeiten ist es beachtenswert, wenn Künstler sich ungeachtet des Mainstreams und der Vermarktung auf ihre ureigenen Überzeugungen verlassen und ihren Weg gehen. Der Geigerin Anne-Sophie Mutter gelingt indes durch ihre markante, über dreißigjährige Karriere auf den Konzertbühnen und ein gutes Marketing im Rücken der Spagat: zum einen füllt sie mühelos die Konzerthäuser mit den großen klassischen Programmen, hinter sich ein perfektes Medien-Marketing wissend. Zum anderen widmet sie sich aber auch der Stiftungsarbeit und Begabtenförderung ebenso intensiv wie eigenen musikalischen Projekten und auch der zeitgenössischen Musik, zuletzt mit der Uraufführung des 2. Violinkonzertes von Sofia Gubaidulina. Für eine Künstlerin ihres Ranges entsteht sicherlich durch die ständige starke Präsenz in der Öffentlichkeit ein nicht zu unterschätzender Druck, der aber auch Energien freisetzen kann. Ihr durchweg souveräner, glanzvoller Auftritt in der restlos ausverkauften Semperoper am Pfingstsonntag zeigte dies, dennoch merkte man auch ein Quentchen von Befreiung in den drei Zugaben („Ungarische Tänze“ von Brahms), in denen ihr Ton mit dem Jubel des Publikums im Rücken intensiver und ihr Spiel feuriger wurde. Ihr eigener Anspruch an die Interpretation scheint enorm zu sein. Technisch kamen die drei Sonaten von Johannes Brahms, die sie im Konzert der Musikfestspiele präsentierte, äußerst perfekt daher, Ansätze zur Kritik gab es lediglich den klangfarblichen Bereich betreffend: manches Mal geriet ihr hohes Lagenspiel im Oktav- oder Doppelgriff äußerst hart, so dass die Tonintensität zu gering ausfiel. Ansonsten pflegte Mutter in allen drei Sonaten den Wohlklang und eine weich-romantische Grundhaltung, die aber auch zumeist mittlere Tempi (bis auf die hervorragend angegangenen schnellen Sätze der 3. Sonate) und eine recht angenehme, aber nicht selten zu glatte Strukturierung des musikalischen Materials vorsah. Ausbrüche und Dramatik sind in Mutters Spiel durchaus vorhanden, unterliegen aber einer permanenten Dosierung, die in einigen Fällen die Tore zur emotionalen Wunderwelt der Sonaten eher verriegelte denn aufstieß. Dagegen pflegt Mutter eine zauberhafte Piano-Kultur, die mit wenigen hingehauchten Tönen einen kompletten Sonatensatz zur Ruhe bringen kann. Faszinierend war auch das absolut beherrschte und selbst in leisester Begleitung noch nuancenreiche Spiel ihrer Klavierpartnerin Ayami Ikeba, die trotz halsbrecherischer Partie etwa in der 3. Sonate punktgenau mit Anne-Sophie Mutter phrasierte. Interessant war festzustellen, welche der drei sehr unterschiedlichen Sonaten Mutter am besten liegt – die technische Bewältigung ist ja unbestritten. Es war eine deutliche Steigerung zunächst von der eher volkstümlich-liedhaften 2. Sonate A-Dur zur frühen G-Dur-Sonate festzustellen, die Mutter vor allem mit großem Verständnis für die lyrische Grundhaltung der Musik spielte. In der 3. Sonate d-Moll gelang ihr der ruhige 2. Satz wunderbar gesanglich und deutlich entspannt. Mutter arbeitete zudem die zahlreichen Kontraste dieses Werkes in den Ecksätzen gut heraus – die Programmfolge mit der zurückhaltenden G-Dur-Sonate in der Mitte war so durchaus überzeugend. Stehende Ovationen im Semperbau waren am Ende die Belohnung für diese Künstlerin von Weltrang.

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