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Die Präzision des Nichts

Sheherazade – ein audiovisueller Abend von Daniel Smutny

Keine leichte Kost wurde den Zuhörern bei den „Tagen der zeitgenössischen Musik“ am Dienstagabend vorgesetzt. Wer diesen Konzertabend allein über das pure Musikerleben (jenseits von Programmheftpamphleten) bewältigen wollte, war etwa nach einer halben Stunde überfordert, nach einer Stunde gescheitert und nach satten zwei Stunden Performance sogar leicht verärgert. Es ist natürlich das gute Recht des Komponisten Daniel Smutny, die Grenzen des musikalisch Verständlichen und Verstehbaren sensibel auszuloten und damit dem Zuhörer jede Menge ästhetischer Fragen, auch Provokationen aufzutischen. Steht diese Intention der Komposition aber stetig im Vordergrund einer Aufführung, so wird der Zuhörer um das sinnliche Erleben von Musik gebracht, schon gar, wenn der audiovisuelle Abend mit „Sheherazade“ betitelt wird. Sicher wird man mir entgegnen: selbst schuld, was geht er auch mit solchen Ansprüchen an die Musik in die Aufführung? Richtig, möglicherweise hat mich diese Darbietung, diese Stilistik von Musik einfach nicht erreicht, erreichen können. Die Gründe dafür darf man aber auch in der Dramaturgie dieses Abends suchen und wird prompt fündig. Smutny stellt verschiedene Elemente einer Aufführungssituation vor: es gibt auf der Audio-Ebene komponierte, improvisierte und präsentierte (elektronische) Klangsituationen. Anstelle aber deren Unterschiede und Möglichkeiten kreativ auszunutzen, nivelliert Smutny die Ebenen zu einem einzigen Strom aus unterkühlter Laptop-Musik, einem elend langen und undenkbar leisen Streichquartett und hinzusortierten Improvisationen an tape (Manuel Stagars) und Schlagzeug (Bernd Settelmeyer) – aber bitte vorsichtig und leise! Die Zaghaftigkeit wird hier zu einem Konzept, das scheitern muss, weil sie keine musikalische Kraft entfalten kann, erst recht nicht über eine solche Zeitspanne. Die Musik wird im Ansatz gleich weggepegelt, ausradiert oder unterdrückt und Smutny will sogar die Interpreten in seine Infragestellung von Musik einbeziehen: „Wie soll ich das bloß spielen?“ – Den Musikern des Helios-Quartetts war ihr Bemühen um eben diese geforderte „Präzision des unsagbar schwer spielbaren Nichts“ deutlich anzusehen. Für den Zuhörer bleibt leider wenig musikalisch Fühlbares neben der (nebenbei recht öden) Betrachtung dieses Kraftaktes über. Die Brücke zur Geschichte der Sheherazade, die um ihr Leben lesen muss, misslingt selbst noch in der Abstraktion gründlich mit all den Kratz- und Fiepgeräuschen, seien sie durch Streichbögen, durch Trommeln oder durch Sampler erzeugt. Hier liegt vermutlich der Hund begraben: keineswegs hätte ich mich so kritisch geäußert, wäre Smutny strikt bei dem geblieben, was er auch so schön im Programmheft ausführt, nämlich der kompositorisch-dramaturgischen Erforschung unterschiedlicher Präsentationsformen eines Live-Acts. Somit bleibt der visuellen Ebene die Aufgabe vorbehalten, sich der Protagonistin des Abends, der Königstochter Sheherazade, intensiv und kreativ zu widmen. Izy Kusche gelingt dies auch mit einer faszinierenden Bildsprache (und vor allem: in wenigen Minuten!) grandios. Allein die Musik läßt sich nicht abschalten – wozu bettet Smutny auch noch ein Streichtrio ein, nachdem er mit dem vorangegangenen Streichquartett exakt dieselbe Haltung in extremum schon einmal exerziert hat? Wenn dieser audio-visuelle Abend zur Absicht hatte, möglichst viele Fragen aufzuwerfen, so darf man das Vorhaben als gelungen bezeichnen. Musikalisch bereichernd war die Aufführung keinesfalls.

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