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Zurücklehnen erlaubt

Partita Radicale sorgte für Entspannung bei den „Tagen der zeitgenössischen Musik“

Zwischen den großen, anspruchsvollen Konzertabenden von de Alvear, Messiaen und Stockhausen wünscht sich der Dauerkonzertbesucher ab und an auch die Abwechslung der ruhigen Art, um die vielen Eindrücke der „Tage der zeitgenössischen Musik“ auch einmal zu verarbeiten. Das kann im Stillen passieren, aber durchaus auch bei einer Musikdarbietung, die solch eine leicht genießerische Haltung überhaupt ermöglicht. Bei den in diesem Jahr recht lautstarken Nachtveranstaltungen im Festspielhaus gelang dies weniger: die leicht anarchistische audiovisuelle Performance von „ukr.tele.kom“ bildete im Spätprogramm den größtmöglichen akustischen und emotionalen Kontrast zur Abendveranstaltung der Gruppe „Partita Radicale“. Dabei klingt nur der Name des kleinen Ensembles gewaltig, denn radikal ist deren Art der Musikausübung sicher nicht, aber dafür sehr versiert und phantasievoll. Vor fast 20 Jahren schlossen sich die professionellen Musiker im Raum Köln und Wuppertal zu einer Improvisationsgruppe zusammen – die lang gewachsene musikalische Partnerschaft war in der knapp einstündigen Aufführung namens „Wellen“ deutlich wahrnehmbar. Improvisationen im Bereich der zeitgenössischen Musik zeichnen sich oftmals durch starke Kontrastwirkungen und impulsives Spiel aus, doch hier hatte man den Eindruck, dass große Einigkeit nicht nur über die Großform der Aufführung herrschte, sondern auch über die Bewegung und Gestaltung des Gesamtklangs. Als Impulsgeberin fungierte Wasiliki Noulesa mit zum Thema passender Videokunst, die ähnlich wie das Spiel des Ensemble unaufgeregt und klar wirkte. Dieser ruhige akustische wie visuelle Fluss konnte sich entfalten, obwohl alle Musiker eine reichhaltige Palette zeitgenössischer Spieltechniken aufblätterten, was durchaus auch andere musikalische Richtungen zugelassen hätte. Zudem war die Besetzung mit zwei Flötenspielerinnen, Geige, Bratsche und Akkordeon dazu angetan, im Seitensaal in Hellerau optimal zu verschmelzen. Die Wirkung indes war so beruhigend, dass man trotz einiger Wellen-Aufschwünge ins forte ohne weiteres von Entspannungsmusik reden kann. Da dieses Wort oft negativ belegt ist, würde ich schlicht von entspannender Musik sprechen, und dass dies im Bereich der zeitgenössischen, zudem improvisierten Musik auf so natürlich-niveauvolle Art geschehen kann, ist schon eine kleine Überraschung. Die knapp einstündige Aufführung war kurzweilig und überzeugend Sache. Sicherlich war die Geschlossenheit der musikalischen Aktionen thematisch bedingt, und man wüsste gerne, wie das Ensemble beispielsweise auf dramatische oder dialogische Anreize reagiert. Im 50er-Jahre-Cordsessel entstand bei „Partita Radicale“ die einfache Freude über eine im Moment entstehende Musik – Zurücklehnen erlaubt.

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