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Gelungene Ehrung für Bohuslav Martinů

„Gilgamesch-Epos“ erklingt bei der Singakademie Dresden

Runde Geburts- und Todestage bedeutender Komponisten sind immer ein
willkommener Anlass für neue Aufführungen und Deutungen ihrer Werke. 2009 befinden wir uns, das ist allerorten spürbar, im Händel-, Haydn- und Mendelssohnjahr. Doch auch ein anderer Jubilar erfuhr in Dresden am Wochenende eine musikalische Ehrung: Die Singakademie Dresden widmete sich in ihrem jüngstem Projekt einem der wichtigsten tschechischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, dessen 50. Todestag begangen wird: Bohuslav Martinů. In Partnerschaft mit der Hochschule für Musik Dresden fanden neben der Aufführung des bedeutenden „Gilgamesch-Epos“ im neuen Konzertsaal der Hochschule ein wissenschaftliches Symposium sowie Kammerkonzerte statt, die sich ebenfalls dem Schaffen des Komponisten widmeten. Doch das Martinů-Projekt hatte noch größeren Umfang: Ein „Concertino“ für Klavier und Orchester aus dem Jahr 1938 erlebte eine starke Wiedergabe im Singakademie-Konzert, hinzu kam die Einbeziehung des Dirigenten-Forums des Deutschen Musikrates, drei junge Talente studierten unter Leitung von Ekkehard Klemm das Martinů-Oratorium ein und präsentierten sich im Konzert. Jubilar Mendelssohn-Bartholdy bekam ebenfalls einen Platz im Programm, obgleich der zeitliche Rahmen mit Martinů zur Genüge ausgefüllt war. Mendelssohns jugendlich-frisches Konzert d-Moll für Violine, Klavier und Orchester hätte vor allem aus der sinnlich-verspielten Interpretationssicht eine reizvolle Beziehung zu Martinů aufbauen können, doch die Solisten aus der Professorenriege der Hochschule konnten ein solches Beziehungsgefüge nicht einmal im Ansatz herstellen. Warum Arkadi Zenzipér dynamische Gestaltung aus der exzessiven Bearbeitung des linken Pedals bezog und sich damit oft in matten Begleiterstatus zurückfallen ließ, ist mir ebenso unerklärlich wie Annette Ungers überzogenes Bogenlegato, das deutliche Phrasierung zunichte machte. Dazu kamen bei beiden Solisten arg viele Fehler. Mit nicht so in der Partitur vorgesehenen Temposchwankungen in den Ecksätzen war zudem dem Spiel des rührigen Orchesters der Landesbühnen Sachsen unter Ekkehard Klemm keine sichere Basis bereitet. Auf diese „Jubilar-Ehrung“ hätte man getrost verzichten können. Bohuslav Martinůs „Concertino“ entpuppte sich zuvor als rassiges Klavierkonzert, in dem sich die junge tschechische Solistin Slavka Petchocova als echte Martinů-Expertin auswies und brillantes, differenziertes und rhythmisch mitreißendes Spiel zeigte – ihren Namen sollte man sich gut merken. Paul-Johannes Kirschner (Dirigier-Student aus der Klasse von Prof. Klemm) hatte das Orchester dabei gut im Griff und motivierte die Musiker zu intensiv-virtuoser Darstellung, lediglich die Bläser wirkten hier stellenweise sehr zurückgenommen. Unter Leitung der Dirigier-Stipendiaten Eva Caspari, Tobias Löbner und Maria Benyumova erklang nach der Pause Martinůs kongeniale Vertonung des babylonischen Gilgamesch-Epos; laut Informationen der Singakademie handelte es sich dabei sogar um eine Dresdner Erstaufführung. Alle drei Dirigenten zeigten eine famos zu nennende Leistung, die sich besonders darin manifestierte, dass das Stück nicht in drei qualitativ unterschiedliche Teile zerfiel, sondern zur zwingenden Einheit wurde. Wesentlichen Anteil am Erfolg hatte die Singakademie Dresden, die in diesem Werk alle Tugenden eines großen oratorienerfahrenen Chores ausspielen konnte. Klare Deklamation war Ehrensache; ebenso zeigte man sich für die ungewöhnliche Harmonik und Rhythmik aufgeschlosssen und war zu enormen Steigerungen fähig. Sicher war der Stand der Aufführung noch nicht perfekt, aber das enorme Engagement aller Beteiligten war stets fühlbar. Große Emotionen etwa bei der Grabes-Beschwörung, aber auch in leisen rezitativischen Teilen waren stark nachwirkende Momente des Konzertes. Die Solisten Jana Reiner (Sopran), Kay Frenzel (Tenor), Ingolf Seidel (Bariton), André Eckert (Bass) und Thomas Stecher (Sprecher) fanden zu charaktervoller und stimmlich überzeugender Darstellung ihrer keineswegs leichten Partien, so dass man insgesamt die Martinů-Ehrung der Singakademie nicht nur als mutig und dringend notwendig, sondern auch als sehr gelungen bezeichnen darf.

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