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Parforceritt über die Blumenwiese

Sabine Meyer und das Kammerorchester Basel gastierten in der Frauenkirche

Sie sind schon Stammgäste in der Dresdner Frauenkirche, und zumeist rücken die Schweizer Musiker zur Sommerzeit an, wenn sich die großen Dresdner Orchester in die wohlverdienten Ferien begeben. Das „kammerorchesterbasel“ (dem Marketing des Orchesters sei verziehen, wenn ich deren Wortschöpfung hier nur einmal zitiere) gastierte diesmal mit der herausragenden Klarinettistin Sabine Meyer, setzte aber durchaus auch eigene Akzente in einem Konzert, das leider ferienbedingt einige Lücken im Rund der Frauenkirche aufwies. Zunächst machte das international höchst angesehene und gefragte Kammerorchester, das erst 2008 einen Echo-Klassik erhielt, mit einem Werk von Wilhelm Friedemann Bach bekannt. Dessen „Adagio und Fuge“ taugt nicht als lässiges Einspielstück; Dirigent Giovanni Antonini fügte dem Werk daher auch einiges an Herzblut und Intensität im dynamischen Bereich zu. Die Vertrautheit mit dem Konzertraum zeigte das Kammerorchester Basel bereits in diesem kurzen Stück: das Adagio war kernig im Bass, die Flöten artikulierten sauber, die Fuge wurde gut durchhörbar auf den Punkt musiziert, dazu erzeugte Antonini einen silbrigen Orchesterglanz, der für die außergewöhnliche Musik des Bach-Sohnes gut geeignet war. In Carl Maria von Webers erstem Klarinettenkonzert f-Moll wandelte sich der Orchesterklang hin zu mehr Volumen und Sättigung, blieb aber stets transparent. Das kam der Solistin Sabine Meyer sehr entgegen, die dem Weber-Konzert temperamentvoll und gut aufgelegt zu einer völlig natürlichen Vitalität verhalf. Sie fand dabei das richtige Maß zwischen virtuoser Leichtigkeit der schnellen Passagen und sensiblem Spiel mit der Klangentfaltung des Instrumentes im großem Raum. Einziges Manko in diesem wunderbaren Konzerterlebnis war das Tempoverständnis, das zwischen Meyer und Antonini im 1. Satz nicht durchweg harmonierte,
aber eine perfekte Vorstellung wäre ohnehin nicht im Sinne der Musiker gewesen, denn dafür war hier einfach zuviel Leben, zuviel Leidenschaft im Spiel und das war gut so. War schon der Mittelsatz des Weber-Konzertes mit opulentem Hörnerklang nahezu im Wald angesiedelt, so widmete sich das sinfonische Schlussstück, die „Pastorale“ von Ludwig an Beethoven, komplett den Klängen der Natur. Allerdings geriet Giovanni Antoninis stellenweise exzentrische Darstellung der Sinfonie, die auch in optischer Hinsicht kein „Hingucker“ war, zu einem regelrechten Parforceritt über Beethovens sorgsam auskomponierte Blumenwiese, und da blieb am Ende kein Kraut mehr stehen. Stetig wechselnde Tempi und Metren sah Beethoven im 1. Satz in dieser Härte jedenfalls nicht vor, zudem zeigte Antonini wenig Interesse, sich Fermaten und Pausen zu widmen. Die gesamte Interpretation war zwar äußerst homogen, denn Antonini und das Orchester verstehen sich in diesem Beethoven-Bild prächtig, jedoch trug das Hineindirigieren von kleinen Werten in den 2. Satz ebenso zur Unruhe bei wie Antoninis Tempoübertreibungen in schnellen Tutti-Passagen, die zur Nachlässigkeit in Punktierungen verleiteten. Dies war ein durchweg moderner, man möchte sagen „stylischer“ Beethoven, dem aber am Ende doch die Sorgfalt und Ruhe fehlte.

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