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Charakterkopf und technisches Wunderwerk

Lang Lang zu Gast im Sonderkonzert der Staatskapelle

Die neue Saison der Sächsischen Staatskapelle Dresden ist eröffnet. Ein Sonderkonzert unter Leitung von Generalmusikdirektor Fabio Luisi markierte am Mittwochabend gleichsam drei Pfeiler der sinfonischen Arbeit der Kapelle: Verpflichtung zu Tradition und Moderne sowie die Begegnung mit hochklassigen Solisten. Das Konzert war außerdem der Auftakt für eine Tournee in die Sommerfestival-Metropolen Europas: Luzern, London, Hamburg und Montreux sind die Stationen. Mit einer Uraufführung stellte sich die neue Capell-Compositrice vor, nach Isabel Mundry und Bernhard Lang die dritte Komponistin, die über den Zeitraum einer Saison moderne Akzente in den Kapellkonzerte setzen wird: Die Britin Rebecca Saunders hat sich auf den einschlägigen Neue-Musik-Festivals mit Werken ins Gespräch gebracht, die eine avancierte Sprache sprechen und oftmals durch eine plastisch formulierte Grundidee oder klangliche Brechungen und Varianten der gewählten Stückthematik überraschen. In Saunders‘ „Traces“ (Spuren) für Orchester war vor allem ein Spiel mit der Wandelbarkeit eines geformten Klanges zu spüren. Die Musik franste regelrecht aus, nachdem sie aus nebulöser Tiefe eine Genese fand. Erst im letzten Drittel des Stückes kam es zu deutlicheren, markanten Äußerungen, die aber in abstrakten Sphären verblieben. „Traces“ waren vor allem verrätselte Spuren, die von freundlichem Applaus beantwortet über die Rampe krochen. Ähnlich den ebenso anspruchsvollen „Balancen“ von Isabel Mundry von vor zwei Jahren wird dieses Werk hinter dem Kapellrepertoire versteckt kaum in Erinnerung bleiben – eine offensivere Haltung wäre hier vonnöten, wenn ein vehementes Interesse an der Vermittlung Neuer Musik bestünde. Zu dem chinesischen Starpianisten Lang Lang hätte man natürlich kaum etwas auffahren können, das angesichts dessen Bühnenpräsenz nicht in den Hintergrund geraten wäre. Man war gespannt, ob Lang Lang nach der einfühlsamen Interpretation des 1. Klavierkonzertes von Frédéric Chopin im Jahr 2005 in Dresden nun mit dem 2. Klavierkonzert f-Moll erneut begeistern würde. Er tat es, allerdings ist mir unklar, ob die stehenden Ovationen mehr seiner Person und Ausstrahlung oder seinen interpretatorischen Künsten galten. Denn zeitweise überspannte er den Bogen doch arg: das Larghetto war zwar melodisch schön gestaltet, doch Lang Langs stark exerzierte Gestik und Mimik lenkte vom Hörgenuss ab. Oft trat die Musik auf der Stelle, da Lang Lang sich noch in einem von schätzungsweise zwanzig erduldeten kleinen Toden dieses Satzes befand. Besondere Demut vor der Musik ist seine Sache nicht, aber wer einen Pianisten sucht, der Charakterkopf und technisches Wunderwerk zugleich ist, ist mit der Darstellung von Lang Lang gut aufgehoben. Er ist eine Klasse für sich und darf sich mit Recht am Klassik-Gipfel sonnen – die Chopin-Zugabe wie auch der noch sehr seriös vorgetragene erste Satz des Konzertes zeigten überdies einen Lang Lang, der noch zu viel mehr Tiefe und Intensität fähig ist – ohne Seufzen und Schluchzen, dafür aber nah an den Toren zur Musik selbst. – Fabio Luisis Deutung der „Alpensinfonie“ von Richard Strauss dürfte den treuen Zuhörern bekannt sein. Niemals jedoch wird man von der Kapelle zweimal das Gleiche hören, zumal gerade dieses plastische Stück hunderte Facetten und Möglichkeiten der klanglichen Ausformung bietet. Die Aufführung dieser Saison sparte nicht mit dem satt entfalteten besonderen Strauss-Klang der Kapelle. Vor allem wirkte diese Aufführung aber recht entspannt, was man von dem sinfonischen Monsterwerk kaum regulär erwarten dürfte. „Wasserfall“ und „Vision“ kamen etwas scharf daher, und manchmal vermisste ich doch ein wenig das zauberhafte Staunen im Entstehen der Musik, als würde man die Partitur zum ersten Mal sehen – so war nach der Bergwanderung der Ausklang ein wenig lapidar: wenn’s dunkel ist, ist’s Nacht. Fine.

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