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Erhaben, dramatisch und kontemplativ

„Elias“ unter Frühbeck de Burgos im 1. Philharmonischen Konzert

Die 139. Spielzeit der Dresdner Philharmonie ist eröffnet. Traditionsgemäß werden für die ersten Konzerte der Saison besonders festliche oder außergewöhnliche Werke ausgesucht. Das erste Konzert der Saison gehörte dem Jubilar Felix Mendelssohn Bartholdy (Isaac Albéniz‘ Musik, dessen 100. Todestag gewürdigt wird, erklingt übrigens im 1. Außerordentlichen Konzert in zwei Wochen). „Die Ernte ist vergangen, der Sommer ist dahin“ – welches Werk könnte besser an einen noch nicht ganz herbstlich anmutenden Sonnabend im September passen als das Oratorium „Elias“? Das Werk markiert den Gipfelpunkt der Oratorienkunst der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und auch heute kann man sich schwer der Faszination dieser Musik entziehen. Für das Gelingen ist ein aufmerksames Zusammenspiel aller sinfonischen und vokalen Kräfte erforderlich. Chefdirigent Rafael Frühbeck de Burgos hat mit dem Werk große Erfahrung, spielte er es doch schon 1968 in London (damals u. a. mit Dame Gwyneth Jones und Dietrich Fischer-Dieskau) auf Schallplatte ein. Frühbeck de Burgos verlieh der Aufführung im Kulturpalast vor allem eine stark nachempfindbare Ernsthaftigkeit. So legte er den ersten Teil vorwiegend dramatisch im Sinne der alttestamentarischen Handlung an, den zweiten eher kontemplativ. Die Himmelsfahrt Elias‘ gelang mehr betrachtend denn als vorwärtsdrängende Filmmusik und daher wirkten sogar die sehr ruhigen Tempi der Schlusspartie erhaben. Nur an wenigen Stellen („Alle Lande sind seiner Ehre voll“) stockte der Fluss zu sehr. Eine sehr gute Leistung vollbrachte der MDR-Rundfunkchor (Einstudierung Michael Gläser); hier faszinierte vor allem die kundige Gestaltung der Motive, die stets von der natürlich erzählenden Sprache bestimmt war. Ein stets runder und ebenso volltönend wie intimer Gesamtklang war das Pfund des Chores. Frühbeck de Burgos‘ dramatische Akzentuierung fand allerdings auch eine natürliche, angenehme Grenze, da er Chor und Orchester zwar forderte, sie aber nie zum Äußersten trieb und so einen tragfähigen Klang erzeugte. Krankheitsbedingt musste im Solistenquartett Hanno Müller-Brachmann seine Mitwirkung absagen. Als ein besonderes Glück muss gelten, dass man ausgerechnet in der umfangreichen Hauptpartie hochrangigen Ersatz finden konnte: Der Bariton Roman Trekel sprang ein und begeisterte das Publikum mit einer starken, charaktervollen Darstellung der Elias-Figur, bei der er deutlich differenzierte zwischen der Konversation mit dem Volk, dem Gebet zum Herrn oder den nachbetrachtenden Arien. Unterschiedlich war der Eindruck der anderen Solisten: Annette Markert überzeugte mit einer weichen Führung ihrer großen Altstimme. Ruth Ziesak breitete zwar in der Höhe schöne legato-Bögen aus, ihre Stimme wirkte aber in Rezitativen und mit ungünstiger Vokalfärbung oft spitz. Otokar Klein (Tenor) konnte mit dem guten Niveau der Aufführung nicht mithalten – neben einem deutlichen Sprachproblem trübten hier vor allem stimmtechnische Fehler den Genuss. Erfreuen konnte man sich am Ende des 1. Teils an Hans Wünsche (Knabensopran) aus dem Philharmonischen Kinderchor. Die Philharmoniker begleiteten die Vokalpartien zumeist konzentriert und mit viel Sinn für die Ausgestaltung eigener solistischer Passagen, lediglich am gemeinsamen Artikulieren der Streicher in den Rezitativen ließe sich durchaus noch arbeiten. Der „Elias“ ist für die Philharmoniker lediglich der Auftakt zu einer ganzen Woche voller Musik: Am Dienstag geht es zu einer kurzen Konzertreise nach Burgos (Spanien), bevor am nächsten Wochenende das 1. Zykluskonzert mit einem reinen Weber-Programm ins Haus steht.

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