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Wenig Trauer bei Haydn

„Spiegelungen“-Konzert der Sinfonietta Dresden

Verhext – dieses Wort benutzt man oft angesichts eines unerklärlichen Umstandes. Auch den Veranstaltern des letzten Sinfonietta Dresden-Konzertes dürfte das Wort über die Lippen gerutscht sein angesichts des leider nur spärlichen Besucherzustroms in der Dreikönigskirche am Sonnabend. Im doppelten Sinne verhext war es wohl, weil der Vorabend zum 1. Mai traditionell von vielerlei Feiervolk bestimmt wird – vielleicht hätte das Thema „Trauer“ des halbjährlich stattfindenden Zyklus „Spiegelungen“ der Sinfonietta dann doch besser ins November-Programm gepasst. Dennoch: die Zuhörer erfreuten sich wiederum eines anspruchsvollen Konzertes, das architektonisch gleich mehrere Bögen schlug zwischen Ländern und Zeiten, Literatur und Musik, Klassik und Moderne.

Die Präsenz der „Trauer“ als Thematik war indes marginal, selbst in der so bezeichneten 44. Sinfonie e-Moll von Joseph Haydn ließ sich maximal die Tonart und der langsame Satz damit konnotieren, der Rest ist funkensprühender Sturm und Drang. Damit gelang der Bogen zum Beginn, denn mit einem ebenso bunten Werk startete die Sinfonietta: das 2001 entstandene Saxophonkonzert des Isländers Steingrimur Rohloff (geb. 1971) war trotz avancierter Klangsprache höchst abwechslungsreich – scharfe Schnitte und abrupt beendete Entwicklungen bestimmten das Werk, das aber immer wieder kleine Ruheinseln ausbreitete. Der hervorragende Solist Sascha Armbruster verstand es, seinen Solopart insbesondere mit seinem Double an der Klarinette zu verschmelzen. Ekkehard Klemm fügte mit übersichtlichem Dirigat eine Gesamtbalance hinzu, die Spannung trug und das Werk auch im Kirchenraum adäquat darbot.

Schön, dass es wieder eine Uraufführung mit einer Dresdner Verbindung gab – die Komponistin Annette Schlünz kehrt immer wieder einmal mit neuen Werken an ihren einstigen Studienort Dresden zurück. Ihre „Spuren)(Suche“ war ein sehr sensibel tastendes Werk mit melancholischer Grundstimmung, das eher im Finden von Klangsituationen kreiste als fertige Formen anbot. Wenn hier schon literarische Subtexte aufschienen, so war die Rezitation von Texten von Oscar Wilde durch den Schauspieler Tom Quaas eine weitere Bereicherung des Konzertes – auch hier war weniger Trauer das Thema als vielmehr Menschlichkeit, die anrührte.

Ekkehard Klemm musizierte zum Abschluss die Haydn-Sinfonie mit Detailreichtum und jederzeit gut phrasierten Themen. Das gute Miteinander im Orchester angesichts der Vielzahl an Herausforderungen, die die Partituren dieses Abends stellten, ist bemerkenswert und macht diese Konzertreihe des in Dresden auch in Kirchenkonzerten stets aktiven Ensembles so wertvoll.

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