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Keinesfalls nur Plauderei

Erste „Blaue Stunde“ der Dresdner Philharmonie im Hygiene-Museum

Mit der 1. Museums-Matinée und der 1. Blauen Stunde startete die Dresdner Philharmonie am Sonntag im Hygiene-Museum ein neues Doppelformat, und gleichzeitig ging mit der „Blauen Stunde“ ein philharmonisches Musikwochenende zu Ende, denn bereits am Sonnabend gastierte das Orchester in der Frauenkirche. Mit dem Motto des Konzertes ist keinesfalls nur eine lässig-ungezwungene Sonntagnachmittagstunde der Freizeit und Plauderei beschrieben – die blaue Stunde ist auch ein Lichtphänomen kurz nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang. Der Farbe Blau wird zudem eine beruhigende Wirkung zugeschrieben.

Insofern mögen Synästheten im bordeauxfarbenen Saal des Hygienemuseums einige Aufgaben gestellt bekommen haben. Jedenfalls gefiel das kompakte Format von einer Stunde Musik Marke „für Kenner und Liebhaber“ außerordentlich und lockte eine große Zahl Zuhörer zum Konzert. Mit Beethoven, Mozart und Prokofjew wurde der bekannte Mix aus Ouvertüre, Konzert und Sinfonie beibehalten, der Anspruch jedoch war am Nachmittag hoch und wurde unter Beteiligung junger Künstler umgesetzt. Da war zunächst der 27jährige finnische Gastdirigent Santtu-Matias Rouvali, bisher vorrangig im skandinavischen Raum aktiv, den Namen wird man sich merken müssen.

Mit Temperament und Umsicht gestaltete er zu Beginn die erste „Leonoren-Ouvertüre“ von Ludwig van Beethoven, die seltener aufgeführt wird, aber ihren Reiz aus ruhiger, spannungsvoller Themenentfaltung bezieht. Rouvali fand den richtigen Atem für das Stück und beließ der Ouvertüre ihren zurückhaltenden, nachdenklichen Charakter. Im Mittelpunkt des Konzertes stand Wolfgang Amadeus Mozarts 5. Violinkonzert A-Dur, ein Werk, das Virtuosität oft den thematischen Einfällen unterordnet. Insofern kam dem Solisten Mikhail Simonyan die Aufgabe zu, dem Konzert seinen speziellen Charakter zu verleihen. Das gelang weitestgehend, vor allem in den schön ausbalancierten Solokadenzen. Minimal hätte die rhythmische Kontur des Kopfsatzes differenzierter sein können, fehlte auch dem 3. Satz eine Spur die Abphrasierung und der atmende Neubeginn. Für den großen Applaus bedankte sich Simonyan mit einer Melodie aus seiner Heimat Armenien, das „Armenian Prayer“ wurde bordunartig stimmungsvoll von philharmonischen Celli unterstützt.

Vor einem gewichtigen sinfonischen Beitrag hätte es nun einer Pause bedurft, doch Sergej Prokofjews 1. Sinfonie, die „Symphonie Classique“ ist ein knapp gefasstes Kehraus-Stück, das die Zuhörer mit gehörig Ohrwurm-Material entläßt. Rouvali beförderte eine frische, geschlossene und vor allem nicht überzogene Interpretation, die die „Blaue Stunde“ perfekt abrundete. In zukünftigen Konzerten wird das Repertoire insbesondere in für den Raum sehr gut geeigneten kleineren Orchesterbesetzungen erweitert – bereits am 10. Oktober kann man dort mit den Philharmonikern den ersten „Dresdner Abend“ mit Werken von Othmar Schoeck und Paul Hindemith erleben.
(1.10.12)

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Veröffentlicht in Rezensionen

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