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Außergewöhnliche Begegnung

Fazil Say und Gábor Boldoczki zu Gast im Philharmonie-Konzert

In der Reihe „Komponist und Interpret“ stellte die Dresdner Philharmonie am vergangenen Wochenende den türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say vor – ein exzellenter Pianist, der vielbeschäftigt neben Auftritten am Klavier in den letzten Jahren verstärkt zu verschiedenen Residenzen als Komponist eingeladen wurde und mittlerweile über ein interessanten Werkkatalog in instrumentalen und vokalen Genres verfügt. Dabei hebt Say als „Künstler zum Anfassen“ gern die Grenzen konventioneller Darbietungen auf, äußert sich als zeitkritischer Kommentator der Zeitläufte und läßt aktuelles Geschehen und heimatliches Kolorit in sein Werk und Wirken einfließen.

Das absolute „Müssen“ der künstlerischen Aussage bei gleichzeitigem Kreativitätsüberfluss wird bei Say zum Programm – in jedem Fall ist ein Konzerterlebnis mit diesem Künstler außergewöhnlich, davon überzeugte sich auch das Auditorium im ausverkauften Schauspielhaus am Sonnabend. Neben Fazil Say war ein weiterer Ausnahmemusiker zu Gast: der ungarische Trompeter Gábor Boldoczki interpretierte zu Beginn Says Trompetenkonzert Op. 31, 2010 von ihm bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern uraufgeführt. Zugänglich und zugleich raffiniert komponiert präsentierte sich dieses Werk, in dem Say bei nicht übergroßer Besetzung das Orchester farbig und vielseitig behandelt. In drei Sätzen werden die Ausdrucksqualitäten der Trompete ausgelotet, wobei an wenigen Stellen die Konventionalität der Harmonik und Motivik fragwürdig erscheint. Überraschende Klangfarben oder die im zweiten Satz durchgeführte parallele Rhythmisierung von „5 gegen 6“ machen das Konzert aber kurzweilig. Boldoczkis völlig souveräne Interpretation mit Sinn für Cantabile und gleichermaßen rhythmischer Verve ließ aufhorchen – für die Philharmoniker unter umsichtiger Leitung von Chefdirigent Michael Sanderling war diese Art Musik sicher neu, man spürte aber Entdeckergeist und arbeitete die Schönheiten der Musik sehr gut heraus.

Als Interpret am Klavier gesellte sich dann Fazil Say im folgenden Stück mit auf die Bühne – Dmitri Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester war im Aufeinanderprallen unterschiedlichster Ausdruckswelten sicher eine gute Wahl. Doch Say und Boldoczki wollten temperamentsmäßig nicht recht zueinander passen. Wo Boldoczki fast zuviel Glanz und Noblesse verbreitete, fand Say an diesem Abend gar nicht zum Stück – der erste Satz war von holpernder, ungestümer Agogik gezeichnet, so dass die Partitur die Transparenz vermissen ließ, die die Kontraste erst zur Spannung führen kann. Auch im Orchester waren manche Reaktionen und Schattierungen nicht homogen auf den Punkt gebracht. Say steigerte zwar zum Finale hin seine Sicherheit in der Gestaltung, aber befriedigen konnte diese Interpretation, der vor allem eine ruhige Basis und Überlegenheit in der motivischen Darstellung fehlte, nicht.

Als sinfonisches Werk nach der Pause hatte Sanderling ein Stück ausgewählt, das in interessanter Korrespondanz zu den „Neutönern“ der ersten Hälfte des Konzertes stand. Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie g-Moll KV 550, die mittlere der drei großen letzten Sinfonien, ist wie kaum eine andere in Mozarts OEuvre vom intensiven Ringen um den Ausdruck, von Abbrüchen und Neuanfängen und letztlich einer nur genial zu nennenden Lösung in den Proportionen der vier Sätze gekennzeichnet. Sanderling zeigte mit der Dresdner Philharmonie eine hervorragende Interpretation, hob genau diese markanten Passagen vor allem in den Ecksätzen hervor, zeigte die feinen Kontraste im Menuetto auf und ließ den zweiten Satz in der klanglichen Themenausformung quer durch das ganze Orchester zum Juwel formen. Dafür gab es starken, berechtigten Applaus.

(ersch. 11.2.13)

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