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Gemeinschaft in der Musik – und weit darüber hinaus

Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar gastierte in der Frauenkirche

Unzählige Jugendsinfonieorchester gibt es in Deutschland, viele können schon mit einer großen Tradition aufwarten. Die meisten sind an Musikschulen und Konservatorien beheimatet, Landesjugendorchester versammeln schließlich die Besten ihres Jahrgangs in ihren Jahresprojekten und schließen oft die Lücke zwischen Musikschule und Hochschulausbildung. Die akademische Ausrichtung ist sehr wertvoll, wesentlicher ist aber der Aspekt, dass man es im Orchester immer mit einer Gemeinschaft junger musizierender Menschen zu tun hat. Stammen diese dann noch aus verschiedenen Kulturkreisen, so erstreckt sich das Miteinander oft weit über die Musik hinaus.

Das „Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar“ führte auf Initiativen der beiden Hochschulen in Weimar und Jerusalem 2011 sein erstes Projekt durch – die Fußstapfen von Daniel Barenboims „West Eastern Diwan Orchestra“ sind da erkennbar. Neben der Erarbeitung eines gemeinsam zur Aufführung gebrachten Konzertprogramms zählt auch das Kennenlernen des jeweils anderen Landes und seiner Menschen. Für das diesjährige Projekt stand der Dirigent Michael Sanderling – Chefdirigent der Dresdner Philharmonie – zur Verfügung, der beim Konzert in der Frauenkirche am Freitagabend quasi ein „Gastspiel zu Hause“ gab.

Das Programm vereinte Musik dreier Komponisten mit jüdischem Hintergrund – die kurze „Passacaglia“ Opus 4 von Berthold Goldschmidt war eine reizvolle Wiederentdeckung. Goldschmidt war ein Schüler von Franz Schreker und emigrierte 1935 nach England – erst im hohen Alter erfuhr er eine Renaissance seiner Musik. Das Stück ist im spätromantischen harmonisch erweiterten Stil sehr akademisch gehalten. Sanderling hatte keine Mühe, die große Besetzung zu zwei kraftvollen Steigerungen zu animieren.

Ähnlich ökonomisch ist das Violinkonzert e-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy komponiert, wenngleich in einer ganz anderen musikalischen Epoche. So kommt es hier darauf an, die unterschiedlichen Motive und ihre Entwicklungen im Solo wie im Orchester genau herauszustellen. Die sicher erstmals in der Frauenkirche spielenden Musiker versuchten, einen schlanken, tragenden Klang herzustellen. Sanderling hätte das Orchester dämpfte sehr oft die Musiker ab – vieles war dann im Endergebnis nicht präsent genug. Die junge südkoreanische Geigerin Sunny Tae präsentierte sich mit mutigem Zugriff im Kopfsatz und Willen zu lyrischem Ausdruck im Mittelsatz. Die Reife, etwa den 3. Satz nicht als technische Presto-Etüde misszuverstehen, fehlt ihr allerdings noch – nicht immer hatte sie zudem Glück mit der Intonation.

Zuvor gab es eine kleine Auswahl der „Wunderhorn“-Lieder von Gustav Mahler zu hören. Doch in dem gerade einmal 60minütigen Konzert waren die vier Lieder zu kurz, um wirklich tief in den Kosmos der Mahler-Liedwelt eintauchen zu können. Der junge Bariton Florian Götz (am Theater Erfurt engagiert) stand völlig souverän über den Liedern und konnte viel Ausdruck hineinlegen, er wahrte auch stets den intimen Liedcharakter der Werke. Am trefflichsten gelang ihm die „Revelge“, in der er das „Trallali“ des Soldaten fast dem Wahnsinn zuordnete. Dafür bekam er großen Applaus, wie überhaupt am Ende das Publikum gerne noch eine Zugabe gehabt hätte. Doch sicherlich dürften die Jugendlichen mit dem Dresdner Konzert den Abschluss der ersten Projektphase gefeiert haben – im Oktober geht es dann gemeinsam auf Konzertreise nach Israel.

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