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Ein Kraftakt

Wagner, Strawinsky und Chung in der Hochschul-Matinee

Die Jahreszahlen 1813 und 1913 haben wir in diesem Jahr oft vernehmen dürfen – der 200. Geburtstag von Richard Wagner bot willkommenen Anlass für viele Konzertereignisse an seiner Dresdner Wirkensstätte. 1913 markiert den 100. Jahrestag der Uraufführung des Balletts „Le Sacre du Printemps“ von Igor Strawinsky – bereits im Mai war das Stück in Dresden zu erleben. Die Dresdner Musikhochschule hat zu Ehren Richard Wagners bereits eine ganze Reihe von Veranstaltungen initiiert, die Matinee am Sonntag in der Semperoper bildete einen fulminanten Abschluss.

Das Hochschulsinfonieorchester unter Ekkehard Klemm bot für dieses Konzert alle verfügbaren Kräfte auf, außerdem war das Orchester durch 25 Studenten aus den Partnerstädten und Instituten in Brno, St. Petersburg, Strasbourg und Wroclaw verstärkt. Die Brücke von Wagner zu Strawinsky zu schlagen erscheint auf den ersten Blick schwierig, erst recht, wenn man Strawinskys eigene Worte einbezieht, der Wagners Musik als „heroischen Klempnerladen“ abqualifizierte. Strawinsky darf man gern seine Partitur vor die Nase halten: bei aller Priorität des Barbarischen zeigt er dem Hörer schon in den ersten Bläsertakten, was er kontrapunktisch von Wagner gelernt hat.

Im ersten Teil traf somit Moderne auf Moderne – hier das „Tristan“-Vorspiel samt „Isoldes Liebestod“ (Solistin: Christiane Libor, Sopran), dort das Skandal-Stück, das heute zwar im besten Falle seine heidnischen Qualitäten bewahrt hat, aber für alle großen Orchester zum Repertoire gehört. Nur zu bewundern war, was die Studenten unter Klemms engagierter Leitung aus beiden Stücken herausholten. Wagner klang hier sehr konzentriert und bis in kleinste Details stimmig und transparent, Libor zeichnete ihren Part stimmlich sehr souverän, einige Wünsche blieben an diesem Vormittag bei der Diktion offen. „Le Sacre du Printemps“ ging Klemm mit den Musikern mit klarer Zeichnung vom Pult aus an, forderte die Studenten aber auch zu einer von diesen bestmöglichst nachvollzogenen Interpretation, innerhalb derer etwa der stürmische Schluss des 1. Teils hervorzuheben ist. Fein ausgehört waren die leiseren Abschnitte des 2. Teils: viele schöne Soli und prägnante Bläsersätze, die bis zum Schluss ihre Intensität behielten, vermochten das Publikum am Ende zu begeistern.

Nach der Pause erhielten zwei verdiente Dozenten des Institutes eine Honorarprofessur verliehen: Christoph Schulze (Cello) und Milko Kersten (Ensembleunterricht Opernklasse) wirken seit vielen Jahren erfolgreich an der Hochschule und dürfen nun ihrer Profession offiziell geehrt nachgehen. Musikalisch zog Ekkehard Klemm im zweiten Konzertteil den thematischen Bogen der Moderne bis in die Gegenwart: ein Preisträgerstück eines zum Wagnerjahr ausgelobten Kompositionswettbewerbes des MDR erklang somit in Dresden erneut. Der aus Korea stammende Jinhyung Chung, in Weimar Komposition studierend, gewann diesen mit seinem zweiteiligen Stück „Tropfen“, das somit nun in Dresden eine Wiederaufführung erhielt. Die auffällig gute Instrumentierung konnte nicht über die Problematik der direkten musikalischen Umsetzung des Titels hinweghelfen – stilistisch bewegte sich diese neuartige „Wassermusik“ irgendwo zwischen Henze und Dutilleux.

Rein von der Leistung der Studenten her gesehen war man am Ende dieser Darbietung eigentlich schon restlos begeistert – doch das Konzert nahm noch einmal eine Schlusskurve zurück zu Richard Wagner, was den Bogen leider überspannte. Dass Trauermarsch und Brünnhildes Schlussgesang aus der „Götterdämmerung“ samt dem zugegebenen „Walkürenritt“ nun deutlich an den Kräften zehrte, war an manchen wackeligen Übergängen und intonatorischen Trübungen zu merken. Der Begeisterung, was die derzeitigen Studenten des Institutes zu leisten imstande sind, stand am Ende doch die Frage gegenüber, ob dies alles in einem Konzert aufgebracht werden muss.

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