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Geste des Trostes

Honegger-Sinfonie und Fauré-Requiem im Philharmoniekonzert in der Frauenkirche

Die Sonntage im November vor dem 1. Advent sind „stille Sonntage“ – im Kirchenjahr geht es hier um die Themen Tod, Zeit und Ewigkeit. Der vergangene Sonntag behandelte das Gleichnis vom Weltgericht und ist gleichzeitig seit der Weimarer Republik auch als Volkstrauertag bekannt. Nicht immer folgen die Konzertveranstalter diesen Stimmungen des Jahres, aber besonders in den musikalischen Zentren in Sachsen ist es eine gute Tradition, dass man auch im Konzertleben in diesem Monat eine Möglichkeit zur Besinnung und inneren Einkehr erhält.

Die Dresdner Philharmonie, gerade zurückgekehrt von einer großen Reise durch Asien und einer weiteren nach Dänemark, hatte für ihr Konzert in der Frauenkirche besonders dazu geeignete Werke ausgewählt. Trotzdem gelang eine Kontrastwirkung, denn wo Gabriel Fauré in seinem bekannten Requiem den Emotionen freien Lauf läßt, wirken diese in Arthur Honeggers 2. Sinfonie, mit der das Konzert begann, äußerst gezügelt und durch eine strenge Kompositionsweise nahezu ausgeblendet. Honeggers eigene Einführung zum Stück liest sich fast wie eine Entschuldigung: am Ende gibt der Komponist gerade einmal zu, „Gedanken“ verarbeitet zu haben.

Doch von diesen Worten sollte man sich beim Hören nicht leiten lassen – die Interpretation der Dresdner Philharmonie unter dem französischen Gastdirigenten Bertrand de Billy konnte durchaus die Schönheiten dieses selten gespielten Werkes hervorbringen – ein insistierendes Sekundmotiv, das sich durch alle Sätze fortspinnt, wirkte ebenso intensiv wie die Steigerungen im Adagio-Satz oder die mit permanenter Bewegung versehenen Stimmüberlagerungen im Finale. Der letzte Schliff im Rhythmischen war innerhalb der Stimmgruppen nicht ganz vorhanden, doch schwungvolles Streicherspiel (mit Christian Höcherls schöner Trompetenunterstützung, die vom Komponisten leider nur als „Textmarker“ erdacht wurde) wurde von de Billy begünstigt.

Im Requiem von Gabriel Fauré, hier in der späten Fassung mit vollem Orchester, übernahm der Philharmonische Chor dann die Hauptrolle. Chorleiter Gunter Berger hatte das Ensemble vor allem zu einer weichen Klanggebung – mit Ausnahme der etwas zu gewaltigen „Exaudi“ und „Hosanna“-Rufe – und guter Ausformung des Linearen angeleitet, so dass hier unter de Billys Stabführung mit aufmerksamer Orchesterbegleitung eine sehr empfundene, auch von den Tempi her schlüssige Interpretation entstand, die jegliche Überzeichnung vermied. Intensiv gelangen die Ausdruckswelten vor allem im „Agnus Dei“ und im „Libera Me“. Nachdem der Chorsopran im Sanctus noch etwas vorsichtig anhub, strömten die Töne des letzten Satzes „In Paradisum“ in tröstlicher Manier durch den Kirchenraum.

Die Sopranistin Katerina Tretyakova steuerte das „Pie Jesu“ mit absolut körperlichen, wunderbarem Timbre von der Orgelempore bei und scheute sich nicht vor einem schönen pianissimo-Abschluss. Demgegenüber fehlte bei Daniel Schmutzhard (Bariton) doch etwas die Natürlichkeit der melodischen Linie, außerdem war die Intonation nicht immer auf den Punkt gebracht. Die eintretende Stille nach den letzten Tönen dieses Meisterwerks der Schlichtheit und der aus Ruhe und Vertrautheit geformten Gestik des Trostes zeigte, dass das Philharmonie-Publikum das sehr ansprechende Programm und seine Ausführung zu schätzen wusste.

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