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Überambitioniert.

Gastspiel des „Oxfordshire County Youth Orchestra“ in der St. Pauli-Theaterruine

In den Sommerferien dürfen sich die Musiker der großen Profi-Orchester von der Saison erholen. Anders ergeht es da vielen musizierenden Jugendlichen – die Ferien werden genutzt, um an Musik-Projekten und Orchesterfreizeiten teilzunehmen. So konnte das Dresdner Publikum am Dienstagabend ein Gastspiel des britischen „Oxford County Youth Orchestra“ erleben – das einem deutschen Landesjugendorchester vergleichbare Orchester befindet sich gerade auf einer einwöchigen Sommertour durch Deutschland.

Die St. Pauli-Theaterruine bot das stimmungsvolle Ambiente für das Konzert, wenngleich akustische und klimatische Grenzwerte erreicht wurden, die Hörern wie Musikern die Sache nicht leichtmachte. Angesichts eines ambitionierten Programms überlegte man bereits zu Beginn des Konzertes, wie die gut 100 jungen Musiker unter solchen Bedingungen damit zurechtkommen würden. Leider muss man resümieren: es ging derartig viel schief, dass man an die Leiter des Orchesters appellieren möchte, diese Art von Jugendförderung einer Überarbeitung zu unterziehen.

Ein Programm mit der Rosenkavalier-Suite von Richard Strauss (Fassung von Artur Rodziński), der sinfonischen Dichtung „Pini di Roma“ von Ottorino Respighi und der 5. Sinfonie d-Moll von Dmitri Schostakowitsch ist in dieser Abfolge auch für ein Profi-Orchester „nicht ohne“. Hier werden beträchtliche Lautstärkepegel erreicht, die aber Dirigent John Traill offenbar als wesentlichen und wirkungsvollsten Gehalt der Musik missdeutete. Mit dem Raum kam er ebensowenig klar wie seine tapferen Jugendlichen, deren Können sehr unterschiedlich ausgeprägt war. Genau aus diesem Grund entstanden in allen Stücken große Probleme: kein Akkord wollte sich zurechtfinden, Intonation und technisches Vermögen glichen einer Achterbahnfahrt. Ansätze von Interpretation blieben zumeist auf der Strecke – die Jugendlichen hatten genug mit der Bewältigung des Notenberges zu tun.

Mutig stürzten sich die jeweils ersten Musiker ihres Instrumentes in ihre Soli: motivierend auf alle dürfte sich etwa das große Solo der ersten Klarinettistin im 3. Satz der „Pini di Roma“ ausgewirkt haben, auch das Flötensolo im Kopfsatz der Schostakowitsch-Sinfonie war sehr fein gespielt. Der erste Satz des Respighi-Stücks gelang wohl insgesamt am besten. Doch solche Höhenflüge hielten meist nur bis zu Partiturabschnitten, wo eine ganze Instrumentengruppe anstelle eines notierten Tones gleich fünf verschiedene präsentierte. Laut Programmheft liegt der Schwerpunkt des Orchesters in der Durchführung von Werken für große Besetzungen. Durch viele Verdoppelungen (in allen drei Werken waren etwa sechs Flöten und ganze sieben Trompeten besetzt) wurden allerdings lediglich Defizite kaschiert und die Werke erscheinen entstellt. John Traill dirigierte meist ruhig und bedächtig – er gab aber auch oft nach, so dass sich Tempoverschleppungen einstellten.

Einige wohl gut geprobte Walzer-Stellen in der „Rosenkavalier-Suite“ von Strauss liefen merklich flüssiger durch. Sommerlich-leichte Stimmung ließ sich an den Gesichtern der Orchestermusiker kaum ablesen: Hochspannung, Anstrengung und teilweise betretene Mienen waren zu beobachten – angesichts eines Projektes, das sie hoffnungslos überforderte. Warum gibt man den Jugendlichen nicht Werke an die Hand, mit denen sie ein gemeinsames Erfolgserlebnis kreieren können? So kann man nur hoffen, dass den 14- bis 21jährigen Jugendlichen die Freude an der Musik trotzdem erhalten bleibt. Dass nach Schostakowitschs düster-fatalistischer 5. Sinfonie sofort der Radetzky-Marsch von Johann Strauss als scheppernde Zugabe gegeben wurde, bestätigt leider die Vermutung, dass man hier kaum tiefer in die Musik eindringen wollte, als es angesichts der Hürden möglich war.

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