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Wie klingt China?

Eröffnung des Tonlagen-Festivals in Hellerau

Ein „universelles Klang-Environment“ sei in diesem Jahr zu begehen und akustisch wie visuell wahrzunehmen – so kündigten die Veranstalter, das Europäische Zentrum der Künste Hellerau, einen Schwerpunkt des gestern eröffneten Tonlagen-Festival an. Einfacher gesagt: es geht in dieser Ausgabe um Klang und Klanglichkeit, um neue Instrumente, Klangkombinationen und auch vermehrt um Installationen, die ja bisher in Hellerau eher als Randerscheinung wahrgenommen wurden.

Dem universellen Anspruch darf man gerade in Hellerau durchaus Vertrauen schenken, denn Künstler aus mehr als 19 Nationen sind beteiligt. Das Festival wird mit Sicherheit bunt und interdisziplinär und in der Fülle der präsentierten künstlerischen Aussagen und Stile ist Kontroversität schon fast eine erwünschte Ausgangslage. Der Start wurde mit einem Blick gen Osten vollzogen – dieser bildet ebenfalls einen Schwerpunkt im diesjährigen Programm. Mit „China Sounds“ wurden vier verschiedene sinfonische Blicke auf und aus China vom MDR Sinfonieorchester unter Leitung von Kristjan Järvi vorgestellt. Intendant Dieter Jaenicke und Bürgermeister Jörn Marx zeigten sich zuvor in ihren Eröffnungsreden gespannt auf das Festivalprogramm und hoben deutlich hervor, dass Kunst eben auch den Nerv treffe, weh tun müsse und zu vielfältiger Auseinandersetzung reize.

Ein nachhaltiges Kunsterlebnis stellte sich beim folgenden musikalischen Exkurs allerdings eher als schwierig herzustellen dar, so sehr man auch einen distanzierten Blick auf die China-Experimente bemühte. Werken eines finnischen und eines amerikanischen Komponisten, die im Rahmen eines Programms des „National Centre for the Performing Arts“ in Peking weilten und ihre Eindrücke in ihren Werken 2013 zusammenfassten, wurden zwei chinesische Preisträger eines Kompositionswettbewerbs des gleichen Institutes gegenübergestellt.

Was der Amerikaner Michael Gordon in „Beijing Harmony“ unternahm, war nurmehr eine platte Echo-Studie im Minimal-Sound, der nur die verbalen Bekundungen des Komponisten zu einer Beziehung zur Tempelarchitektur in Peking verhalfen. Die chinesischen Kompositionen von Xiao Ying („The Cloud on the wishful Side“ – mit Dong Ya, Pipa und Klaudia Zeiner, Mezzosopran) und Ye Yanchen („The Morning of Bita Lake“) waren farbiger ausgestaltet, als klangliches Resümee nahm man mit, dass diese beiden Komponisten in ihren Partituren sowohl wild in der westlichen Musikgeschichte wuchern als auch sich thematisch sehr von naturalistischen, einfachen Tableaus als Grundlage für die Musik leiten lassen. Für die Beschreibung von Nebel und tanzendem Regen gibt es in den letzten Jahren etliche sinfonische Beispiele aus Fernost, die aber allesamt in ihre neoromantischen Stilistik recht austauschbar scheinen.

Am Ende des Konzertes gab es aber doch eine Überraschung: der Finne Kalevi Aho schuf mit der Komposition „Gejia – Chinese Images“ ein opulentes, komplexeres Klanggemälde, das virtuos mit westlichen und östlichen Materialien spielte und konsequent damit eine neue, fiktionale Ebene schuf. Kristjan Järvi und sein mittlerweile in der universellen musikalischen Neugier extrem geschultes MDR-Sinfonieorchester waren für diese ungewohnten und dann teilweise eben doch sehr gewöhnlichen Klänge außerordentlich konzentrierte und auch in vielen schön ausgeführten solistischen Passagen begeisterte Sachwalter und empfingen von den vollbesetzten Rängen starken Applaus.
(17.10.14)

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Veröffentlicht in Rezensionen

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