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Ukrainisches durch die Tschaikowsky-Brille

3. Sinfoniekonzert der Elblandphilharmonie Sachsen

Nur auf den ersten Blick hätte das Motto des 3. Sinfoniekonzertes der Elblandphilharmonie Sachsen Irritierung verursachen können, denn gemeinhin verbindet man mit Peter Tschaikowsky Orte wie St. Petersburg oder Moskau und ordnet ihn schlicht der „russischen Musik“ zu, was allerdings bei vielen Komponisten östlicher Provenienz des 19. und 20. Jahrhunderts eine die genaue Herkunft und Biografie vernebelnde Kategorisierung ist. Das Motto hieß jedoch „Ukraine“ – damit wurde ein musikgeschichtlich interessantes Kapitel aufgeschlagen, zog sich Tschaikowsky doch im Sommer regelmäßig in die Künstlerkolonie Kamjanka – im Südosten der heutigen Ukraine gelegen – zum Komponieren zurück.

Jedoch war das gesamte Programm Peter Tschaikowsky gewidmet, damit konnte vom Motto her kein direkter Faden zur Gegenwart gezogen werden, und der Blick auf die Ukraine geschah an diesem Abend lediglich durch die sinfonische Tschaikowsky-Brille. Wohl aber geriet man ins Nachdenken über das musikalische Kulturgut, an dem Tschaikowsky etwa mit der Verwendung ukrainischer Volksmelodien einen Anteil hatte. In diesem Kontext etwas unglücklich schien die Programmierung des „Slawischen Marsches“ Opus 31 zu Beginn des Konzertes – handelt es sich dabei doch um ein offen kriegssympathisierendes Stück, das Tschaikowsky für eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten verwundeter Serben im serbisch-osmanischen Krieg komponierte. Ob das Marschgetöse im Publikum einen faden Beigeschmack hinterließ, bleibt fraglich. Eher schien große Zustimmung für die volltönende Darbietung zu herrschen, Dirigent Jan Michael Horstmann hatte das Orchester auch optimal vorbereitet, der Altarraum der Lutherkirche Radebeul sorgte zudem für saftige Verstärkung im Tutti.

In ruhigere Gefilde ging es mit den beiden konzertanten Werken, dem „Andante Cantabile“ aus dem ersten Streichquartett und den bekannten „Rokoko Variationen“. Hier setzte sich das Motto auch bei der Interpretin fort: sicher kann man der aus Kiew stammenden Cellistin Anna Nuzha keinen „ukrainischen Ton“ andichten, doch gerade die Wärme und leidenschaftliche Intensität der kantablen Passagen in der für leiseste Nuancen des Solocellos dankbaren Akustik ließen die Interpretation vorzüglich, in gewisser Weise eben auf natürliche Weise heimatverbunden erscheinen. Jan Michael Horstmann hatte mit dem Orchester keinerlei Probleme, Anna Nuzha gut zu folgen und das Orchester auf die kleine Variationenreise mitzunehmen. Die Cellistin bedankte sich für den herzlichen Applaus mit einer intimen „Improvisation“ von Oleksandr Znosko-Borovsky (1908-83), einem hierzulande gänzlich unbekannten ukrainischen Komponisten.

Als „Kleinrussland“ wurde im russischen Kaiserreich die Ukraine bis ins späte 19. Jahrhundert bezeichnet und der Name hat sich in Tschaikowskys Untertitel der 2. Sinfonie erhalten – es ist ein sehr freundliches, melodienseliges und zuweilen dramatisch herausfahrendes Stück, das auch den Applaus der als „Mächtiges Häuflein“ bekannten Komponistenkollegen Balakirew und Mussorgskij hervorrief. Jan Michael Horstmann und die Elblandphilharmonie Sachsen kümmerten sich mit großer Genauigkeit, aber auch gehörigem Schwung um das Werk – das gelang in dieser Lesart in allen vier Sätzen sehr überzeugend.

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