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Ein derbes und vergnügliches Pasticcio

Ernst Lubitschs „So this is Paris“ als Filmmusikkonzert mit der Dresdner Philharmonie

Die Sinfoniekonzerte sind das Hauptbetätigungsfeld eines Orchesters wie der Dresdner Philharmonie, doch einmal im Jahr wagt das Ensemble einen Ausflug in die Welt der Filmmusik. Seit der Schließung des Kulturpalastes dient der große Saal im Hygienemuseum als Kinokasten und wäre nicht die etwas plautzende Akustik im Weg, würde man glatt ausrufen: „Mehr davon!“, denn die Klassiker der Stummfilmzeit in Verbindung mit packender Livemusik von einem großen Orchester gespielt, das kann keine Flimmerkiste und auch keine noch so gute Restaurationsfassung eines Filmes auf DVD ersetzen.

Diesmal stand mit „So this is Paris“ aus dem Jahr 1926 eine der großen Gesellschaftskomödien von Ernst Lubitsch auf dem Programm, nachdem die Partnerschaft mit dem Dirigenten und Arrangeur Helmut Imig in den letzten Jahren vor allem Chaplin-Filmen gewidmet war. Es ist ein Film mit vielen reizenden Details und vier großen Stummfilmstars – eigentlich fünf, denn Myrna Loy ist da noch als Haushälterin in einer Nebenrolle zu sehen und darf nur einmal kurz durchs Zimmer schreiten. Der hier genüßlich erzählte Ehebruch im Quartett führt nicht nur dazu, dass der Falsche im Gefängnis landet, man bekommt auch mit der Ballszene eine opulente Inszenierung Lubitschs mit Hunderten Tänzern zu sehen.

Der „Künstlerball“ ist ein filmischer Rauschzustand, der perfekt in diese doch manchmal auch weltfern anmutende Komödie passt. Imig hat für die musikalische Begleitung des Films Musik kompiliert, die das Paris der 20er Jahre als Schmelztiegel zeigt: von Chopin über Satie bis Ibert und Françaix reichen die musikalischen Allusionen, mal im Original zitiert, dann wieder jazzig mit Posaunendämpfern und rhythmischer Verzerrung in der Partitur versteckt. Film und Musik verbinden sich gut und sorgen beim Zuschauen für größtes Vergnügen.

Verschwiegen werden darf dabei nicht, dass die Philharmoniker sich hier auf einem Terrain bewegen, das keinesfalls als leichte Muse missinterpretiert werden darf. Was da so beschwingt klingt und vor allem in der von einem Charleston dominierten acht Minuten langen Ball-Szene auch die Beine unruhig werden läßt, will erst einmal leichtfüßig aus den Instrumenten hervorgebracht werden. Zudem sparte Helmut Imig in der Live-Aufführung am Sonntagvormittag nicht mit spontaner Tempoarbeit, um zur nächsten Ohrfeige einer der Protagonisten auf der Leinwand wieder exakt auf der Filmspur zu liegen.

Bei allem Spaß und guter Konzentration, den die Philharmoniker in diesem auch vor Schlagern und Johann Strauß nicht haltmachendem Pasticcio zeigten: etwas weniger heiß gestrickt darf es schon zugehen. In vielen Szenen überwog, das war auch manchmal der Instrumentation geschuldet, eine eher laute Derbheit, die dem Spannungsaufbau im Film fast zuvorkam. Der süffisante, leise Humor eines Satie oder Poulenc kam, obwohl von Imig in der Einführung angekündigt, insgesamt zu kurz. Komödiantisch gab sich der Arrangeur Imig auch in einigen Zitaten: die Hinwendung der Doktorsgattin zu seichten Liebesromanen mit orientalischem Background mit Rimski-Korsakows Sheherazade zu kommentieren, ist eine schöne Geste, Lubitschs bildnerischen Humor im Musikalischen fortzusetzen.

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