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Zwischen Idyll und Höllentrip

Prokofjew, Glière und Strawinsky mit der Dresdner Philharmonie

Einen ganzen Abend lang ging es russisch zu im Albertinum und das hatte einen guten Grund: Dmitri Kitajenko war als Dirigent zu Gast bei der Dresdner Philharmonie. Das Publikum konnte schon mehrfach seine Interpretationen mit russischen Repertoire erleben – Kitajenko arbeitet gern mit dem Orchester zusammen. Programmatisch widmete sich der in Leningrad geborene, seit 1990 erfolgreich im Westen tätige Dirigent drei Komponistenhandschriften den 20. Jahrhunderts. Obwohl die Entstehung der Stücke von Sergej Prokofjew, Reinhold Glière und Igor Strawinsky zusammen gerade einmal einen Zeitraum von 20 Jahren umfasst, hätte der Höreindruck unterschiedlicher nicht sein können.

Während die Kosmopoliten Prokofjew und Strawinsky in Frankreich die neuesten Kunstströmungen aufsaugten, hatte der bis heute auch selten gespielte Reinhold Glière mit solcherlei Trends wenig am Hut – in der Nachbarschaft der beiden fast revolutionär neutönerischen Werke bildete dessen 1938 entstandenes Harfenkonzert den ruhigen Mittelpunkt des Konzertes. Dem französischen Harfenisten Xavier de Maistre – derzeit wohl unbestritten weltweit einer der herausragenden Meister dieses Instrumentes – blieb es vorbehalten, daraus einen Lichtpunkt zu entwickeln, was ihm auch mit absolut flexiblem, sinnlich-souveränem Spiel gelang. De Maistre formte die lyrischen Themen differenziert aus und hatte für jedes noch so offenherzig virtuose Element des Werkes eine liebevolle Ausformung parat. Dazu begleitete Kitajenko mit dem Orchester luftig und ließ so dem Solisten viel Raum zur Entfaltung. Gegenüber der Komposition blieb am Ende doch der Eindruck eines aus der Zeit gefallenen, künstlichen Idylls bestehen. Kitajenko hatte die 3. Sinfonie c-Moll von Sergej Prokofjew an den Beginn des Konzertes gestellt und damit die etwas bequemere Zuhörvariante gewählt, denn Strawinskys beliebte „Feuervogel“-Suite endet zumindest deutlich triumphaler als die Sinfonie, die im vorletzten Akkord mit einem Aufschrei eher das Ende eines Höllentrips heraufbeschwört.

Man möchte dem Programmheft gerne widersprechen, wenn dieses Stück als Meisterwerk tituliert und dafür nur eine „überraschende Gewichtung der Ecksätze“ angeführt wird. Experimentell und zuweilen ambivalent ist das Gefüge des Stücks geraten – so haderte Prokofjew hier mit der Zweitverwertung der Motive einer zum Zeitpunkt der Sinfonie-Niederschrift nicht aufgeführten Oper und der Findung einer eigenen Handschrift zwischen jugendlichem Irrwitz und traditionellen Wurzeln. Dabei geschieht Überraschendes: während der erste Satz sich selbst fast mit bemühter Kontrapunktik erschlägt, sind die fast aphoristischen Mittelsätze in ihrer Farbigkeit sinfonische Perlen, bevor die Sinfonie mächtig und düster ausklingt. Kitajenko arbeitete mit der Dresdner Philharmonie zwar differenziert und das Stück schien sorgfältig vorbereitet, dennoch hätte bei seiner etwas geradlinigen Lesart hier und da der emotionale Pegel stärker ausschlagen dürfen. Damit ist weniger die Lautstärke gemeint als vielmehr eine intensivere Zeichnung der Sätze, die in dieser Aufführung eher blockhaft, manchmal gar nur skizziert anmutete.

Ähnliches gilt für die Interpretation der Ballettsuite „Der Feuervogel“ von Igor Strawinsky, mit der das Konzert endete. Toll waren die einzelnen Bilder dargestellt und der Höllentanz Kastscheis saß auf den Punkt genau. Der Teufel lag in der Suite im Detail, wo einige Inhomogenitäten in Übergängen, Intonation und Artikulation zusammenkamen, die den insgesamt doch sehr ambitionierten und vor allem spannenden Eindruck dieses Konzertes etwas schmälerten.
(13.4.15)

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