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Momente schönster Musikalität

Akademie-Orchester eröffnet das Moritzburg Festival

Alljährlich im August freuen sich die Kammermusikliebhaber in Dresden und im Umland auf den Beginn des Moritzburg Festivals, das 2016 zum 23. Mal stattfindet und in den kommenden zwei Wochen vor allem Kirche und Schloss in Moritzburg mit feinen Klängen erfüllen wird. Die ersten Tage des Festivals stehen traditionell im Zeichen der Moritzburg Festival Akademie, die seit 10 Jahren besteht und ausgewählten jungen Instrumentalisten eine intensive sommerliche Kammermusik- und Orchesterarbeit mit Profis beschert.

Zur Eröffnung des Festivals formierten sich die 43 Akademisten aus 19 Nationen dieses Jahrgangs am Sonnabend in der Gläsernen Manufaktur zum großen Ensemble, auf dem Programm stand ausschließlich Orchestermusik des 19. Jahrhunderts. Hinter sich hatten die Musiker da bereits eine komplette Woche mit Kennenlernen, Proben und zwei weiteren Auftritten. Angesichts des Jubiläums der Akademie sind neben der verdienten Anerkennung, dass schon einige Hundert junge Musiker diese intensive, schon durch die Internationalität der Teilnehmer Kultur und Kulturen verbindende Erfahrung der Kammermusikakademie erleben durften, auch einige Gedanken zur Fortführung erlaubt. Merkwürdig erscheint der Umstand, dass ausgerechnet die Eröffnung des gesamten Festivals weiterhin in einer Räumlichkeit stattfindet, deren musikalisches Ergebnis kaum mehr als einen Kompromiss darstellt.

Rossini, Brahms und Schumann erreichen das Ohr in der gleichzeitigen Wahrnehmung von direktem Instrumentalklang und akustischer Abnahme und Wiedergabe in einer Schräglage. Dabei werden ausgerechnet die wenigen Schwächen der Darbietung, beispielsweise der erste mulmige Einsatz im Orchester im Doppelkonzert a-Moll, Opus 102 von Johannes Brahms auch noch verdeutlicht. Manche Nebengeräusche auf der Bühne, die man explizit nicht dem musikalischen Erlebnis zuordnen will sind ebenso überdeutlich und leider war auch die Intonation der beiden Solisten Benjamin Beilman (Violine) und Jan Vogler (Cello) im Zusammenspiel oft nicht genau genug. Überhaupt erhielt man im Doppelkonzert keinen geschlossenen Eindruck einer Werkdeutung – am stärksten nachwirkend waren hier die fein ausmusizierten leisen Passagen des zweiten Satzes mit Beilmans silbrigem Solo-Violinklang, wobei man aber einen nachfolgenden Harmoniewechsel der Streicher aus rein akustischen Gründen schon wieder nicht mitbekam.

Lobenswert und als Einstimmung auf das Festival nahezu unverzichtbar ist das Erspüren des außerordentlichen, gemeinsamen und freundschaftlichen Einsatzes aller Musiker im Orchester für das Gelingen des gesamten Konzertes – das teilte sich sofort mit und führte zu begeistertem, verdienten Applaus. Einige Momente schönster Musikalität blieben dabei haften, die sich das Ohr zurechtrückte – so etwa die dynamisch fein abgestufte Interpretation von Gioacchino Rossinis „Barbier von Sevilla“-Ouvertüre durch den Dirigenten Josep Caballé Domenech oder die im Werk angelegte und von den Musikern auch gut vollzogene Steigerung der Spannung in der 4. Sinfonie d-Moll von Robert Schumann, deren Finale von Caballé Domenech gehörigen, fast jazzigen Schwung erhielt. Nachdem die Akademisten unter großem Beifall ihre Teilnahmeurkunden erhielten, verabschiedete sich das Moritzburg Festival Orchester mit einem in diesem Programm bestens aufgehobenen Encore, dem ersten Ungarischen Tanz von Johannes Brahms.

* alle Konzerte und Programme: http://www.moritzburgfestival.de

/NB – mir wurde gestern mitgeteilt, dass die akustische Verstärkung im Konzert gar nicht eingeschaltet war. Am verzerrten Klangeindruck, der wohl aus meiner Sitzposition im Raum und verschiedenen Reflektionen der Instrumente an den Glaswänden herrührt, ändert das allerdings nichts.  Der Raum scheint tatsächlich verschiedene Frequenzen derart zu verändern, auszuhebeln oder zu verstärken, dass ein Gesamtklangbild „Orchester“ gar nicht vor dem Ohr entstehen kann. Anders kann ich mir es nicht erklären, dass ich etwa von den Violinen etwa ein enges, flaches Klangbild bekam, sie verschwanden fast im Untergrund. Soloinstrumente im Orchester (Cello) erklangen hingegen überdeutlich. Holzbläser im Tutti verschwanden wiederum in Mattigkeit, ebenso die Posaunen, die nur im mutigen forte hörbar waren. Als Fazit bleibt, dass natürlich die Konzertsaalauswahl in Dresden schwierig ist und selbstverständlich ein Sponsor beachtet werden will. Wenn die Musik selbst aber dafür auf der Strecke bleibt, sollte man sich einmal um andere, vielleicht auch kreative Lösungen bemühen, um Musik, Raum und Anlass in günstiger Weise zusammenzubringen.

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