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Mit Spitzbubenlächeln

Nachtmusiken beim „Dresdner Abend“ der Philharmonie im Hygiene-Museum

Zum 14. Mal gestaltete das Philharmonische Kammerorchester einen so genannten „Dresdner Abend“ im Hygiene-Museum aus – eine reichliche Stunde Musik wird ohne Pause gespielt, verbunden mit einem geselligen Epilog bei einem Wein. Von diesem Angebot machten am Mittwochabend wieder viele Zuhörer Gebrauch: das Format ist erfolgreich, vermutlich auch, weil in der Kürze auch eine Würze der Konzentration liegt und sich für den Saal geeignete Kammerorchesterkompositionen vorstellen lassen, die im großen Sinfoniekonzert eher untergehen würden. Dazu gehörte diesmal auch die „Kleine Nachtmusik“ von Wolfgang Amadeus Mozart, die mottogebend für das Konzert war. Eigentlich erwartet man das Stück rückwärts im Kopfstand auf einem Skateboard balancierend interpretiert, denn so ziemlich alle anderen zweifelhaften Varianten der Transkription (besser: Verwurstung) hat das reizende Stück hinter sich.

Dementsprechend erfreut war man auch, dass das Philharmonische Kammerorchester sich im Musizieren ohne Dirigenten rein auf die Noten besann und eine quicklebendige, auf gegenseitigem Hören und gutem Verständnis der Serenaden-Anmut beruhende Interpretation hervorzauberte. Allein, im Genre Nachtmusik ist der Mozartsche Beitrag wohl der lichteste der Musikgeschichte. In Charles Baudelaires Gedicht „Harmonie du Soir“ mischen sich ganz andere Nachtfarben.

Um diese ging es auch in Rainer Promnitz von Baudelaire inspirierter „Canzona“ für Cello und Kammerorchester, die in einer Neufassung uraufgeführt wurde. Selbst als Cellist in der Dresdner Philharmonie tätig, konnte Promnitz sein kurzes Stück beim Solocellisten und Kollegen Ulf Prelle in besten Händen wissen und sowohl im zeitweise dichten Orchestersatz wie in der vorrangig der Melodie und Kantilene verpflichteten Solostimme zeigten Prelle und das Ensemble unter Leitung von Wolfgang Hentrich eine intensive Klanggestaltung. Ein größeres und eher selten zu hörendes Werk stand am Ende des Abends: Paul Hindemiths Thema und Variationen „Die vier Temperamente“ für Streichorchester und Klavier lassen sich eher zu jeder Tag- und Nachtzeit zuordnen – 1940 als Ballettmusik für George Balanchine konzipiert, ist dieses Werk weitaus mehr als eine bloße Stimmungsmalerei.

Die vier Temperamente wurden von der Schauspielerin Anna-Katharina Muck mit erbaulichen, vor allem an Immanuel Kants Ausführungen zu den Temperamenten orientierten Lesungen vorgestellt, bevor Andreas Boyde am Klavier mit dem Philharmonischen Kammerorchester für die musikalische Darstellung zuständig war. Und das gelang vortrefflich, denn Boyde mischte sich sowohl in den sinfonisch behandelten Passagen sehr gut mit den Streichern, war aber immer auch der charaktervolle Antreiber und klanglich sehr flexible Ideengeber am Soloinstrument, wobei die kammermusikalischen Passagen etwa der Melancholie oder des Phlegmatischen dann am besten wirkten, wenn die Interpreten auch noch das fünfte Temperament, nämlich Hindemiths Spitzbubenlächeln, herausarbeiteten. So erhielt dieses Schlussstück auch eine sanft unterhaltende Komponente, und Boyde rundete den Abend mit seiner Zugabe, dem Nachtstück aus der „Suite 1922“ von Paul Hindemith sehr stimmig und einfühlsam ab.

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