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Kantige Ostern

Strawinsky, Prokofjew, Tippett und Rachmaninow bei der Dresdner Philharmonie

Langsam häufen sich die historischen Momente bei der Dresdner Philharmonie, und ähnlich wie man im Fussballspiel immer neue Statistiken aufstellen kann, erlebt man nun auch zahlenmäßig wie akustisch Unwiederbringliches. So war das erste Osterkonzert der Dresdner Philharmonie das fünftletzte Orchesterkonzert vor der Wiedereröffnung des Kulturpalastes und zudem das letzte Konzertprojekt im Albertinum. Zum dritten Mal gastierte der Brite Michael Francis am Pult der Philharmonie und hatte ein russisches Programm – mit einem kleinen britischen Abstecher – zusammengestellt, das sich nicht explizit wie etwa die diesmal nicht gespielte Rimsky-Korsakovs-Ouvertüre auf Ostern bezog, aber mit Rachmaninows „Sinfonischen Tänzen“ dem Albertinum zumindest einen volltönenden Kehraus bescherte. Hören wir also noch einmal genau hin.

Natürlich fielen auch hier die Garstigkeiten des Saales wieder auf: der dumpfe, unscharfe Tutti-Klang ebenso wie der obertonarme, dennoch fern-hallenartige Eindruck bei wenigen Instrumenten oder im Solo. Das Orchester hat damit aber mittlerweile derart viel Erfahrung, dass etwa die wie in einem Warenkatalog aufgeblätterten Harmonien in Igor Strawinskys „Sinfonien für Blasinstrumente“ sehr gut miteinander verschmolzen. Dennoch: gerade eine solch trockene Preziose glänzt natürlich erst in einer guten Saalakustik. Auch die Streicher durften in diesem Konzert einmal alleine brillieren: Sir Michael Tippetts „Little Music for String Orchestra“ war der britische Gruß im russischen Programm, gab sich aber kantig und leider auch wenig ausdrucksstark, so dass der konstruktivistische Hauch der im Stück ausprobierten Formen als einziger Genussmoment haften blieb. Die beiden Stücke bildeten zwar einen passenden Rahmen für Sergej Prokofjews 5. Klavierkonzert G-Dur, doch dem aufgrund seiner halsbrecherischen Schwierigkeiten und leider auch kompositorischen Defizite selten aufgeführten Werk wurde keine besondere Ehrung zuteil. Die Aufführung wirkte insgesamt reichlich unfertig.

Pianist, Dirigent und Orchester mühten sich sichtbar angestrengt, dem Werk einen einheitlichen, in irgendeiner Weise adäquaten Tonfall zu schenken, was Prokofjew aber sogleich selbst torpediert, da die Musik weder ein Oben, Unten, Vorne noch Hinten aufweist, sondern alle paar Minuten an einer anderen Oberfläche herumkratzt. Der britische Solist Steven Osborne – technisch auf alle Fälle für solche Schwerstarbeit versiert – versuchte dem mit Härte und Dramatik beizukommen, Francis wiederum hatte mit der Organisation der Rhythmik in den Toccata-Passagen schon genug zu tun. Absolute und dennoch leicht ausgeführte Präzision und mehr atmender, schwingender Ausdruck des Solisten, wie er im Ansatz in den beiden lyrischeren Sätzen aufkam, hätten diesem Schwergewicht gutgetan. Sergej Rachmaninows „Sinfonische Tänze“ bildeten dann einen vom Orchester gut und gemeinsam musizierten Ausklang des Konzerts, im ordentlichen Dirigat von Michael Francis blitzte leider wenig Temperament auf, so dass die Aufführung selten über ein braves, merkwürdigerweise im Ergebnis oft nicht homogenes Sortieren der Elemente hinauswuchs – das war zu wenig für diese an musikalischen Farben überquellende Partitur.

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