Daniele Gatti im 6. Sinfoniekonzert der Staatskapelle
Um Visionen von Leben und Tod ging es am Sonntagvormittag im 6. Sinfoniekonzert der Staatskapelle. Der Hintergrund der beiden Werke und seine Komponistenpersönlichkeiten können verschiedener nicht sein, sie einen sich jedoch in der jeweils voll ausgelebten romantischen Grundhaltung – Strauss‘ Tondichtung „Tod und Verklärung“ brilliert mit wunderbaren Orchesterfarben und zeigt den Komponisten auf der Höhe seiner Zeit, Mahlers 4. Sinfonie G-Dur bezieht per Wunderhorn-Lied deutliche Distanz zur wirklichen Schwere des Themas und läßt den Tod erst wieder in den rein instrumentalen Sinfonien in seinen Partituren erscheinen. Hier das verstörend kindliche Beben vor dem Unaussprechlichen, dort der selbstbewusste Jüngling, die Todesstunde als Kolossalgemälde ausmalend. Aus dieser reizvollen Programmkombination formte der Gastdirigenten Daniele Gatti, der mit der Kapelle und auch mit diesem Programm in der nächsten Woche auf Europa-Tournee gehen wird, ein großes Konzerterlebnis. Das Besondere der Interpretation ging von Gattis innerer Haltung zur Musik selbst aus. Dieser Dirigent versteht es, aus absoluter Ruhe heraus eine Organik des jeweiligen Werkes zu formen. Körper, Zeichen, Mimik bilden eine Einheit und lassen so Bögen und Kraftfelder entstehen, die in dieser Form nahezu ideal für eine ruhig fließende, adäquate Musizierweise der beiden Werke schienen und nirgends überzogen oder hemmend wirken. Gatti nahm sich Zeit für den Beginn der sinfonischen Dichtung, ließ immer wieder Melodielinien zart ausspielen und schaffte einen über viele Takte reichenden Bogen zum Schlusshöhepunkt, und auch dieser war sensibel und klug geführt. Ohne Übertreibung dürfte diese Aufführung eine in allen Punkten völlig überzeugende Interpretation des Werkes genannt werden. Ähnlich transparent gelang die Mahler-Sinfonie, Gatti arbeitete deutlich die vielen Abbrüche und Störungen der ersten beiden Sätze heraus, Matthias Wollongs frecher Solopart im 2. Satz gefiel ebenso wie zahlreiche auf den Punkt gebrachte Bläsersoli oder die sorgsam angelegte Dramatik des 3. Satzes. Einzig im E-Dur-Höhepunkt gab es eine kurze, verzeihliche Schleuderpartie. Geradezu zauberhaft waren Gattis Darstellung einiger Übergänge, die in ein ausgekostetes Glissando oder ins flüchtige Verschwinden des Klanges mündeten. Ruth Ziesak (Sopran) komplettierte diese schöne Aufführung mit einem souverän dargebotenen und stets im schlichten Liedcharakter verbleibenden Wunderhorn-Finale. Damit reihte sich der letzte Satz organisch in die ersten drei sinfonischen Visionen ein, der sanfte Ausklang provozierte zunächst zu einem Moment der Stille, erst dann zu kräftigem Applaus.
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