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Ereignis

Daniel Hope begeistert mit Schostakowitschs 1. Violinkonzert im philharmonischen Zykluskonzert

Die Konzerterlebnisse, bei deren Nachwehen einem nicht nur die Superlative ausgehen sondern überdies ungeeignet zur Erfassung des Geschehenen erscheinen, sind äußerst selten, aber es gibt sie noch. So war meine erste Konzertbegegnung mit dem Geiger Daniel Hope nicht mehr und nicht weniger als intensivst durchlebte Musik. Es ist ein Konzertereignis ersten Ranges, wenn Solist, Dirigent, Orchester und die Partitur eine Einheit bilden, in der die Musik selbst das Sagen hat; gerade im Falle des Solokonzertes gibt es viele Faktoren, die diese Einheit oftmals verhindern, doch hier gab es vom ersten bis zum letzten Takt eine Darstellung auf höchstem Niveau, bei der man im Auditorium im Kulturpalast die sprichwörtliche Nadel hätte fallen hören können. Der Brite Hope, der sich vor allem für zeitgenössische Komponisten einsetzt, hat sich eingehend mit dem 1. Violinkonzert von Schostakowitsch beschäftigt, dies zeigt nachdrücklich seine jüngst bei Warner erschienene Aufnahme, doch was ist eine CD gegen Hopes Darstellung im Konzert? Gleich der von dunkelgrauen Orchesterfarben getragene erste Satz war von Hope einer Beschwörung gleich formuliert, jeder Ton saß auf dem Instrument wie eingemeißelt. Tempo, Phrasierung, Bogenstrich, das alles besaß starken Charakter und wurde aus Überlegung heraus formuliert. Später stellte sich heraus, dass die Klangrede des 1. Satzes Einleitung zu einem über alle vier Sätze tragenden Konzept war: seien es die mit bohrender, innerlicher Wut und voller Bogenkraft vorgetragenen Oktaven innerhalb des Themas in der Passacaglia, sei es die zwischen Resignation und Zornessturm aufgewühlte Solokadenz oder der mit vollem Ernst durchgehaltene Sarkasmus des 2. Satzes: ein sich mit den Zeitläuften bewusst auseinandersetzender Künstler zeichnete ein Bildnis von Dmitri Schostakowitsch zwischen Kriegsende und erneuter Verteufelung durch die sowjetische Kulturpolitik. Diese starke Interpretation machte vor allem deutlich, in welche Tiefen einer Partitur man mit letztem Willen und kluger Disposition vorstoßen kann. Hope konnte sich dabei nicht nur auf eine souverän begleitende Dresdner Philharmonie verlassen, unter Leitung des sehr kurzfristig eingesprungenen, in Luzern beheimateten Amerikaners John Axelrod gelang ein ebenbürtiges Orchesterklangbild, bei welchem scharfe Attacken des Hornquartetts und wirbelnde Holzbläser im 2. Satz die Zwiesprache mit dem Solisten unterstützten. Hope bedankte sich für den (angesichts der stupenden Leistung recht braven) Applaus mit einer Hommage an Yehudi Menuhin, eine schöne Geste an die Dresdner Philharmonie, der Menuhin besonders verbunden war. Entspannung wäre vonnöten gewesen nach der Pause, doch es folgte ein weiterer dramatischer Höhepunkt: John Axelrod befreite Tschaikowskys 4. Sinfonie f-moll von allem ihr innewohnenden Pomp, setzte auf klare Signale und angenehm transparente Tempogestaltung. Im 3. Satz ließ Axelrod die Streicher sanft ihr Pizzicato schnurren bevor ein in allen Orchestergruppen stürmisches, dennoch kontrolliertes Finale eine sehr plausible Interpretation abrundete.

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