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Tristanvorspiel

Eigentlich müßte man noch ein Leben haben, um von allen seinen Lieblingswerken die Interpretationen zu finden, die einem am meisten zusagen, das heißt, am nächsten an „mir“ bzw. meiner persönlichen Empfindung des Werkes dran sind. Heute habe ich versucht, eine mir angenehme Aufnahme des Vorspiels von „Tristan und Isolde“ zu finden. Ich hatte nicht allzuviel Zeit, daher gab es nur 4 CDs zur Auswahl. Leider fielen davon drei sofort heraus: Jeffrey Tate und Mariss Jansons wegen mangelhafter Intonation und Phrasierung im Orchester (bei Jansons ein regelrechtes Schwimmfest, was Ansatz und Tonlängen der Streicher angeht). Yakov Kreizberg interpretiert genau so, wie es das Foto auf dem Cover zeigt: mit Faust statt mit Sensibilität. Dazu wählt er Tempi, die den kompletten Tristan auf 10h anwachsen lassen müßten – aber gottlob ist nach einer knappen Viertelstunde seine Auswalzung des Vorspiels vorbei… – die vierte CD war Claudio Abbado – die erste Aufnahme, die ich musikalisch verstand. Irgendwie aber immer noch zu kühl, zu risikolos, außerdem werden für den HiFi-Freund bei der DGG die Bässe ordentlich hochgefahren, sodass ich beim Höhepunkt nur noch Kadenzfunktionen vorm geistigen Auge habe anstelle eines Liebestodes.

Ich komme nach Hause, denke „naja, hörste doch nochmal die alte Platte….“ Und siehe da, die ganze Hörerei im Laden war ziemlich für die Katz. Klangqualität, Tempi, Phrasierung – bis ins letzte Detail reißt einen der „Tristan“ von Karl Böhm auch 40 Jahre nach der Produktion noch mit. Qualität ist zeitlos. Die Nilsson sowieso.

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Veröffentlicht in hörendenkenschreiben

10 Kommentare

  1. albert albert

    Kennst Du die Furtwängler Aufnahme mit Flagstad und Suthaus?
    Mit dieser komme ich am besten klar.
    Oder die Kleiber Aufnahme? Kollo muss man mögen, aber beim Vorspiel stört er mich noch nicht.

    • Das waren auch nur 4 Zufalls-CDs. Aber ich werde mir mal in den nächsten Tagen den Spaß machen, auch die restlichen vorhandenen Aufnahmen durchzuhören. Ein Erich-Kleiber-Aufnahme von 1952 fiel ebenfalls durch, zu selbstverliebt und langsam. Die C.-Kleiber-Aufnahme interessiert mich natürlich noch, Tennstedt könnte interessant sein. Furtwängler müßten wir auch da haben, ich werde berichten.

    • albert albert

      Ich meinte auch die Carlos Kleiber Aufnahme. Ich habe sie mir mal gekauft, weil ich meinte als Dresdner diese Aufnahme besitzen zu müssen. Kleiber ist große Klasse, die Sänger… naja. Die Nilsson ist zweifelsohne extraklasse. Mit Windgassen kann ich mich aber überhaupt nicht anfreunden, er singt ja leider auf fast allen Aufnahmen dieser Zeit die Tenorrollen rauf und runter.
      Tennstedt kenne ich von einem Wagnerquerschnitt mit Jessye Norman. Bin dort auf ihn aufmerksam geworden. Ohne Effekthascherei, sehr angenehm. Und Norman sowieso, wenn sie eine Gesamteinspielung vom Tristan gemacht hätte, dann wäre Frau Nilsson in Gefahr.
      So, nun laß Dich bitte nicht beeinflussen. Mach Dir Dein eigenes Bild.
      Viel Spass dabei!

  2. Tristan Bei der Suche nach dem idealen Tristan-Vorspiel würde ich – neben der bei Mehr Licht! genannten Bayreuther Einspielung von Karl Böhm – gerne noch Carlos Kleiber und Herbert von Karajan ins Spiel bringen. Der Karajan-Tristan mit den Berliner Philharmonikern (EMI) ist zumindest orchestral schlichtweg genial. Auf mich wirkt Karajans Herangehensweise noch sinnlicher als Kleibers etwas aufgeregte Art, wo im Orchester permanent etwas “passiert”. Unglaublich, die Sogwirkung des Vorspiels bei Karajan!

    Christa Ludwig als Brangäne gibt’s als Dreingabe, will sagen: Auch die Sänger sind vollauf überzeugend.

  3. merkwürdig Als ich den Text las und noch nicht hinunterscrollte, dachte ich, was sind das für komische vier Aufnahmen, wenn der Böhm nicht dabei ist. Dann kam das Ende und damit war die Welt wieder in Ordnung. Für mich war die Böhm-Einspielung „prägend“. Jede spätere Version musste dagegen bestehen und war insoferne chancenlos, als Tempo und Klang einfach nur dann richtig schienen, wenn sie so wie bei der Böhm-Inszenierung waren.
    Mein Vater bekam die Langspielplatten zu Weihnachten geschenkt. Auf der zehnten Halbseite war ein Probenmitschnitt. Das war damals vollkommen unbekannt. Mich haben Windgassen und Waldemar Kment, sowie die Christa Ludwig noch stärker beeindruckt als die Nielsson, obwohl die ja damals „über jeden Verdacht“ erhaben war.
    Bis zu meinem 18. Geburtstag hatte ich den Tristan vielleicht schon 30 Mal gehört gehabt. Da kann sich dann dieses Suchtverhalten entwickeln: man hört in ein paar Takte hinein und will, dass es niemals mehr aufhört.
    Ich denke nicht, dass die Böhm-Aufnahme in alle Ewigkeit die beste sein muss, das wäre auch den anderen Künstlern gegenüber unfair. Doch für mich nimmt sie subjektiv eine unantastbare Führungsrolle ein.
    Ich habe heuer in Erl den Tristan live erlebt und er hat mir recht gut gefallen. Aber ich stelle gerade fest, wie ich eine Gänsehaut bekomme, wenn ich mir Brangänes (Christa Ludwigs) „Habet acht“ in akustische Erinnerung rufe. Das ganze Orchester kommt hoch. Und es blieb trotzdem derart differenziert, wie ich es später nie mehr so gehört habe.

    • Mein Favorit, nach wie vor, bleibt die nervöse Carlos-Kleiber-Aufnahme*; und daß die Sänger da zu wünschen übrig ließen, dieser Eindruck ist mir schleierhaft; im Gegenteil finde ich, daß die Nilsson geradezu nach Pappe klingt gegenüber der Price bei Kleiber, der wie (meiner Kenntnis nach) niemals vor- und nachher jemand so sehr das M e e r ins Vorspiel bekommen hat: sowohl den Wellengang, den die Musik nachzeichnet, wie die auf der Meeresoberfläche zugleich liegende Oberflächenspannung. Bei einem allerdings stimme ich zu: bei der Einschätzung Christa Ludwigs.

      *) – „nervig“ wäre als Begriff angemessener, hätte er nicht leider eine Nebenbedeutung des Jargons; „nervig“ wäre gemeint, wie ein Araberhengst nervig ist.

      [Ich schreib das hier, weil ich auf der Suche nach einem Tennstedt-Tristan-Mitschnitt soeben auf Ihren, mehrLichts, hiesigen Eintrag gestoßen bin und >>> weil ich heute früh die Böhm-Aufnahme selbst am Wickel habe (6.23 Uhr]. Ich denke, daß gerade Ihre, Steppenhund, Liebe zu Böhm sentimentale Gründe hat – wobei ich „sentimental“ nicht abwertend, sondern das Wort sozusagen ontologisch verstehe.

    • Vielleicht kann ich mit einer Diskografie von Tennstedt weiterhelfen. Dort ist allerdings auch nur der Querschnitt aus dem Tristan (mit J. Norman) verzeichnet, der bei EMI in der Red Line-Serie erhältlich ist.
      [just stoße ich beim Suchen auf eine gerade erschienene DVD mit Tennstedt und Wagner/Orchestermusik…]

    • @mehrLicht. Ich danke Ihnen. Diese Diskographie hatte ich auch schon gesehen, aber n u r-„Medleys“ mag ich nicht, weil ich davon immer an Adornos böses Wort von den schönen Stellen erinnert bin. Offenbar gibt es keine Gesamteinspielung, und ich bin mir nicht sicher, ob Tennstedt j e den Tristan ganz aufgeführt hat. Das wäre in der Tat interessant, weil sich bei entsprechender Kenntnis möglicherweise ein Schwarzmitschnitt auftreiben ließe. So etwas finde ich d a n n und n u r dann nicht heikel, wenn eine Arbeit anders nicht zu erhalten ist.

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