Das Swedish Chamber Orchestra gastierte in der Frauenkirche
Freie Kammerorchester stellen in der Orchesterlandschaft meist etwas Besonderes dar, wenn sie über die Gabe verfügen, ihr Profil ohne Abhängigkeit von Institutionen oder gewachsenen Traditionen schärfen zu können. Seit nunmehr zehn Jahren ist der Däne Thomas Dausgaard Chefdirigent des „Swedish Chamber Orchestra“ und formte aus den Potenzialen des erst 1995 gegründeten Orchesters ein Spitzenensemble. Über die Jahre hinweg waren Zyklen mit Beethoven, Schumann und Brahms Säulen der Konzertarbeit, die Dausgaard mit einer in den Kritiken gerühmten Komplettaufnahme der Beethovenschen Orchesterwerke krönte. Derzeit befindet sich das Swedish Chamber Orchestra auf einer Deutschlandtournee und das Publikum in der Frauenkirche durfte sich auf ein hochrangiges Konzerterlebnis freuen. Die „Egmont“-Ouvertüre von Ludwig van Beethoven ist kurz, knackig und dramatisch – nur selten tritt in Beethovens OEuvre die Dramaturgie so offen zu Tage. Für Thomas Dausgaard ein Grund mehr, die vermeintlich „einfache“ Partitur mit vitalem Zugriff zu bereichern und daraus ein packendes Entrée für das Konzert zu formen. Einziges Manko in allen Werken des Abends war die nicht ganz gelungene Anpassung an den Raum, vor allem die Holzbläser waren dynamisch oft unterbelichtet. Positiv fällt die Bilanz jedoch aus, was das exakte Zusammenspiel, die solistischen Leistungen (exzellente Hörner) und die sofortige Reaktion der Musiker auf Dausgaards flexibles Dirigat angeht. Da das Trompetenkonzert von Joseph Haydn in der gut ausbalancierten Interpretation durch den Solisten Håkan Hardenberger aufgrund seiner kurzen Spieldauer nur einen Appetithappen darstellte, gab es noch ein zweites Konzertstück dazu: die „MOB Pieces“ des Wiener Komponisten HK Gruber sind subtil gearbeitete Unterhaltungsstücke. In der verschrobenen rhythmischen Welt, die an Satie oder Weill erinnert, lauern kleine Fallen und Abgründe, doch niemals kippt die Stimmung, ein rhythmisches Band hält die Stücke zusammen. Mit virtuoser Leichtigkeit präsentierte Hardenberger die Komposition, Dausgaard übertrug die lässige und dennoch auf Präzision basierende musikalische Haltung auf das Orchester, so entstand eine kernige Interpretation. Nach einer kurzen Pause beschloss das Swedish Chamber Orchestra das Gastspiel mit der 3. Sinfonie von Robert Schumann, der so genannten „Rheinischen“. „Türen öffnen“, unter diesem Motto ist gerade erst eine Schumann-Aufnahme des Orchesters im Handel erschienen. Das Motto, oder besser, die Interpretationshaltung, konnte man auch nahtlos auf das fulminante Hörerlebnis der „Rheinischen“ im Konzert anwenden. Man erlebte ein Orchester, das eine gute Kommunikation untereinander betreibt; dazu einen dynamischen Dirigenten, der für die Partitur nicht nur ein Detailverständnis hat, sondern auch die Sätze zu großen Bögen zusammenfasst. Flotte, aber kontrollierte Tempi fügten die Interpretation zu einem großen Ganzen, wodurch Schumanns Partitur so frisch erschien, als wäre die Tinte noch nicht lange getrocknet. So macht romantische Orchesterliteratur Spaß. Skandinavisch – mit Sibelius‘ „Valse Triste“ und einem Stück aus Hugo Alfvéns Ballett „Der Bergkönig“ als Zugabe – verabschiedete sich das Orchester unter großem Applaus aus der Frauenkirche.
CD-Tipp:
Schumann, Sinfonien 2+4, Ouvertüren – Swedish Chamber Orchestra, Thomas Dausgaard
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