Zum Inhalt springen →

A rose is not a rose

„Projekt Limina“von Patrick Frank im Festspielhaus Hellerau

Ein Ereignis mit Worten zu beleuchten, das in der künstlerischen Absicht schon die Betrachtung der Indifferenz postuliert, muss unzulänglich bleiben. Denn was im Festspielhaus Hellerau am vergangenen Wochenende als Projekt „Limina“ (lat. „Schwelle“) zu hören und zu sehen, ja auch zu fühlen war, war absichtsvoll auf die Auseinandersetzung mit „beliebiger Kunst“ focussiert und zielte nicht auf Ergebnisse und Lösungen. Im Projekt greifen mehrere Ebenen ineinander – die des Schweizer Komponisten und Projektleiters Patrick Frank, der „Limina“ von vornherein so konzipierte, dass sich viele Fragen unweigerlich stellen müssen, die des Rezipienten, der sich per Willensbekundung zum Besuch des Projektes dieser Auseinandersetzung mit seinem persönlichen Erfahrungshorizont öffnet, dazu der Kunst-Raum Hellerau mit seinen Freiheiten, aber eben auch räumlichen Grenzen. Es folgt ein Prozess, der dem eines „normalen“ Konzertes nicht unähnlich ist. Dort eine traditionelle Konzertsituation mit vorgesetzter Musik von der Bühne. In Hellerau die Installation, ein Symposium und ein „Act“, frei begehbar, dennoch ebenso „präsentiert“. Und an dieser Stelle stutzt man bereits: der Indifferenz fehlt ja jegliche Konsequenz, wenn der Projektleiter vorab mit komponierten Klängen, Situationen und architektonisch gestalteten Räumen eingreift. Seine Entscheidungen beschneiden den Rezipienten, der erwünschte Diskurs über Beliebigkeit in der Kunst wird somit schon im Ansatz absurd. Die im Programmheft angesprochene Sinnfreiheit findet schon dann nicht statt, wenn Frank sich auf einen Raum, eine Projektdauer oder gar auf Instrumente festlegt. Demnach wäre eine wirklich „indifferente Komposition“ utopisch. Frank scheint aber genau dieses Scheitern des Projektes vom Ansatz her gleich einzubeziehen und damit entstehen wiederum Zwischenräume der Interpretation, die spannend sein können. Denn was passiert beim Eintritt in die Installation: man wird gebeten leise zu sein, eine Black Box (im übrigen eine nicht gerade neue Idee innerhalb moderner Kunst) lädt zum Schwimmen in Wahrnehmungswelten ein, und von außen klingen die Instrumente herein, die leider kompositorisch zu oft an Bekanntes erinnern. Doch in solcher Weise die persönliche musikalische Sprache als Komponist zu verschleiern gehört eben auch zur Indifferenz – mit dem Unterschied, dass anderen Komponisten dies versehentlich passiert, Frank es aber von vornherein thematisiert. Ein Grenzgang war dies in jedem Fall, zu fragen ist, ob die Darstellungsform nicht hätte präzisiert werden können, um eben den Rezipienten noch viel stärker in den Bedeutungsraum der Indifferenz gleiten zu lassen. Als Gegenstück zum eher stillen Installationsraum fand ein ACT statt, der die „Grammatik des Glamours“ in eine Tanzperformance (Konzeption Alexandra Bachzetsis) verpackte. Das war ein lauter, stilisierter und ebensowenig indifferenter Kontrapunkt, mehr aber auch nicht, denn der Focus auf Weiblichkeit und Zur-Schau-Stellung, noch dazu im Genre der Tanzperformance, war in seiner zeitlich, optisch und akustisch überdeutlichen (und damit begrenzten) Darstellung denkbar weit entfernt von der Thematik des Projektes. Die Bewegung auf der Grenze hätte sowohl im stillen Raum als auch im ACT gerne extremer ausfallen dürfen. So verließ man nach zwei Stunden dann doch einen künstlerischen Mikrokosmos, einen sinnlichen Raum, der eben fernab von Beliebigkeit war, es sei denn, man schaltet die persönliche Relativität der Erfahrung ein: Nur dann ist „a rose is a rose is a rose“ eben keine Rose mehr. Das Projekt beinhaltete außerdem ein Symposium, das über die Künste hinaus die Thematik als soziologisches Phänomen betrachtete. In der Musik ist Indifferenz übrigens ein „alter Hut“: Variable Interpretations-, Analyse- und Hörmöglichkeiten sind fester Bestandteil lebendig entstehender Musikerfahrung seit Jahrhunderten. Dazu lieferte Frank einen weiteren, intellektuellen Baustein, der unbedingt zeitgenössisch zu werten ist und die Diskussion fortsetzen wird.
Infos zum Projekt

Buchtipp:
(Vorträge des Symposiums)
Limina – zur Indifferenz in zeitgenössischer Kunst und Musik
hrsg. v. Patrick Frank
Pfau-Verlag, Saarbrücken 2007
ISBN 978-3-89727-358-0

image_pdf

Veröffentlicht in Rezensionen

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert