7. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie in der Kreuzkirche
In aller Welt ist die Dresdner Philharmonie ein geschätztes Orchester, doch dass das Ensemble innerhalb der eigenen Stadt zum „Reiseorchester“ wird, ist ein ziemlich absurder Vorgang. Des Kulturpalastes beraubt, wird die Philharmonie ihre kommenden Konzerte in der Kreuzkirche und im Congress Center Dresden stattfinden lassen. Dass das Zustandekommen der Ausweichquartiere in so kurzer Zeit möglich war, dafür dankte Intendant Anselm Rose vor dem 7. Zykluskonzert ausdrücklich. Ebenso zeigte das „mitgereiste“ Publikum in der Kreuzkirche durch seine Anwesenheit, dass es in dieser schwierigen Zeit bis nach der Sommerpause dem Ensemble die Treue hält. Konzertmeister Wolfgang Hentrich betonte außerdem, dass das Orchester dem Wunsch nach einem dauerhaften, geeigneten Konzertort in Dresden nachgehen werde. Dies streift wiederum absurde Gefilde: in welcher Stadt Deutschlands ruft ein an Traditionen reiches, städtisches Orchester nach einem „Konzertort“? 800 Jubeljahre Geschichte reichen wohl in Dresden nicht aus, um mit der Gegenwart fertig zu werden. Die Kreuzkirche bot für das erste Konzert nach der Schließung des Kulturpalastes ein Asyl, und das geänderte Programm begann gleich mit einem Stück, das sehr gut in den Raum passte – Arvo Pärts „Cantus in memoriam Benjamin Britten“ für eine Glocke und Streichorchester. Das Orchester gestaltete den herabsinkenden Klangstrom sehr intensiv und zeigte einen satten Streicherklang. Der estnische Gastdirigent Kristjan Järvi hätte für den Kreuzkirchenraum ohne weiteres noch extremere Dynamik und ein etwas ruhigeres Tempo fordern können – zu schnell verschwand der Eindruck dieses tönernen Denkmals für den geschätzten Komponistenkollegen. Der durch die notwendige Programmänderung erfolgte Verlust der Skrjabin-Werke wurde mit einer echten Bereicherung aufgefangen – das 2. Klavierkonzert F-Dur Opus 102 von Dmitri Schostakowitsch erklingt selten in den Konzertsälen, in des Komponisten OEuvre scheint es in seinem aphoristischen Duktus wie ein verborgener Diamant. Dass der junge Pianist Florian Uhlig als Solist gewonnen werden konnte, entpuppte sich als ein Glücksfall, denn dieser fand genau den richtigen Tonfall für das Werk, den man nur mit „spannender Leichtigkeit“ beschreiben kann. So spielte Uhlig die Ecksätze mit brillanter Rhythmik, aber eben in lockerer, fast schon entspannter Agogik, während er den langsamen 2. Satz wie eine einzige große Rede formulierte. Diesem Klangkünstler am Klavier hörte man gebannt zu und durfte sich dann noch über eine intelligente Zugabe freuen: Louis Moreau Gottschalks Komposition, die augenzwinkernd zwischen Liszt, Chopin und salonartigen Albumblättern hin- und her hüpfte, dürfte manchem Appetit auf diesen interessanten Komponisten gemacht haben. Das Orchester begleitete im Klavierkonzert gut, doch waren einige kleine Unstimmigkeiten im Temperament zwischen Solist und Dirigent zu merken. Was Uhlig vorne am Klavier vor allem im Bereich der Nuancierung deutlich gestaltete, hätte Järvi stärker auf das Orchester übertragen müssen. Das Schlusswerk des Konzertes war die so genannte „Fünfte Sinfonie“ von Brahms, das von Arnold Schönberg für Orchester instrumentierte Klavierquartett g-Moll. Die virtuose Komposition gestalte Järvi vor allem im stringend formulierten 3. Satz überzeugend. Hier fand die Philharmonie zu einer für den schwierigen Raum exzellenten Klangkultur und stimmte die Klangkombinationen im Orchester hervorragend ab. Dem Orchester gab Järvi ansonsten viele motivierende Hinweise, doch fehlte mir an manchen Stellen ein größerer Spannungsbogen, der zwingende Fluss der Musik stellte sich nicht überall ein. Um dies zu erhalten, hätte Järvi den 2. Satz etwas ruhiger angehen und die Dynamik noch flexibler gestalten können. Das überschwängliche Finale lief dann nahezu von alleine, flottes Tempo und virtuoses Spiel mischten sich zu einem sehr guten Ausklang dieses ersten „Exilkonzertes“.
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