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Großartige Künstlerin

Midori gastierte im Palais im Großen Garten

In diesem Jahr hat sich der MDR Musiksommer für Dresden die „Perlen“ aufbewahrt: Eröffnung und Abschluss des Festivals in der Frauenkirche, dazu ein Höhepunkt im Palais im Großen Garten. Am Donnerstagabend gab dort die Ausnahmegeigerin Midori ein Recital. Die Zuhörer erlebten ein Konzert ersten Ranges, das zwei außergewöhnliche Künstler zusammenbrachte. Es muss bei der Betrachtung des Konzertes von vornherein von beiden gesprochen werden, denn der Begleiter Charles Abramovic gehört zu den Weltbesten seiner Zunft, und eine solche Homogenität, eine nahezu traumwandlerische Ergänzung der interpretatorischen Absichten erlebt man wirklich selten. Die Idee von partnerschaftlicher Kammermusik wurde hier in besonderem Maße plastisch. Das manifestierte sich bereits in der A-Dur-Sonate von Johannes Brahms. Im Überblick seines Sonatenschaffens ist diese Sonate sicherlich das lyrischste, wärmste Exemplar, welches nur im Mittelsatz zwischen zwei gegensätzlichen Stimmungen pendelt. Midori und Abramovic zeigten viel Liebe zum Detail ohne den großen Bogen zu verlieren, ruhig und mit Sinn für die unterschiedlichen Emotionen des Werkes gestaltete Midori die Themen aus. Eine echte Entdeckung stellt die 2. Sonate „Sonate mystique“ von Ernest Bloch dar. Große Kantilenen spannen sich über einen rauschhaften Klaviersatz mit spannenden harmonischen Wendungen. In verschiedenen Wellen steigert sich das Werk bis zu ekstatischem Gesang, den Midori mit vollem Körpereinsatz Nachdruck verlieh. Die Gegenüberstellung von Geigenkammermusik von Robert Schumann und Franz Schubert bestimmte den zweiten Teil des Konzertes, auch hier hatte man permanent das Gefühl einer völlig überlegenen Durchdringung der Werke. Wenn überhaupt ein Manko festzustellen war, dann jenes, dass das konsequente Bemühen um weichen Klang und Schönheit der Melodie auf Dauer doch zu glatt wirken kann. Robert Schumanns „Phantasiestücke“ sind aber in dieser Hinsicht auch nur begrenzt in Extreme auszuweiten, und Midoris wundervolle Klangbehandlung des Instrumentes ließ genussvolles Zurücklehnen zu. Franz Schuberts große Phantasie C-Dur erfordert hingegen die Virtuosin, noch dazu sparte der Komponist nicht an einem geradezu frechen Klaviersatz – staunend betrachteten die Zuhörer, mit welch grenzenloser Entspannung Midori und Abramovic auch in den zahlreichen Verstrickungen des Variationssatzes zu Werke gingen. Besonders bemerkenswert war die Einleitung der Phantasie, in welcher Abramovic im leisesten Spektrum nuancenreich gestaltete und so Midori jederzeit Freiheit zur Entfaltung ließ. Kleine Piècen von Glasunow und Kreisler beendeten ein großes Konzert einer gereiften und großartigen Künstlerin.

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