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Ein Gesicht des Orchesters definieren

Neuer Chefdirigent Jun Märkl beendet den MDR-Musiksommer in Dresden

Am ersten Amtstag des neuen Chefdirigenten Jun Märkl versammelten sich die Verantwortlichen der MDR-Klangkörper-Abteilung in Dresden zur Pressekonferenz. Das „Willkommen“ für den 1959 in München geborenen, international erfahrenen Dirigenten fand nicht in Leipzig statt, da dieser in der Frauenkirche Dresden am Abend das Abschlusskonzert des MDR Musiksommers dirigierte. Als „Mann der Öffnung und der vielfältigen künstlerischen Bezüge“ stellte Hörfunkdirektor Johann Michael Möller den neuen Chefdirigenten vor, der bereits in einigen Konzerten Erfahrungen mit dem MDR-Sinfonieorchester und auch mit der Landschaft der drei Länder, in denen es zu Hause ist, machen konnte. Märkl erkundet den Osten mit dem Wohnmobil und scheint in dieser Rolle prädestiniert nicht als unnahbarer Pultstar, sondern als kreativer Mensch mit Bezug zu Land und Leuten. Märkl selbst betonte, dass sein Vertrag zwar auf drei Jahre angelegt sei, er aber schon innerlich auf fünf Jahre hinaus plane und Ideen ausarbeite. Diese Zeit brauche es, um ein „Gesicht des Orchesters zu entwickeln und zu definieren“. Märkl geht es um eine kontinuierliche Aufbauarbeit und bereits die erste Saison zeigt in der Dramaturgie, wohin die Reise geht. Den Spagat zwischen der wichtigen Pflege der Musiktradition der drei Bundesländer und der Neugier auf Neues will Märkl vor allem mit themenbezogenen Konzerten schaffen, wofür das Konzert in der Frauenkirche mit Vokalwerken im Bezug auf Krieg und Frieden gleich einen programmatisch überzeugendes Beispiel bildete. Zudem wurde das Konzert von Jun Märkl und Howard Arman geleitet, was die Verbundenheit ebenso wie die Individualität der Klangkörper ausdrückt. Märkl stellte sich den Journalisten als Maler vor: der Farbenreichtum der Orchesterpalette interessiere ihn besonders, so ist es verständlich, dass Märkl aus seiner zweiten Arbeitsstätte in Lyon vor allem frankophones Repertoire mitbringt, das aber beim Orchester spezielle Sensibilität im Spiel schärfe. Die bereits bestehende Städtepartnerschaft zwischen Leipzig und Lyon, bisher vor allem im wissenschaftlichen Bereich präsent, werde nun durch seine Person auch in der musikalischen Ebene gestärkt. Märkl lobte in seiner Antrittsrede außerdem die freundschaftliche Arbeitsatmosphäre zwischen ihm und dem Orchester und der Verwaltung sowie die gute Zusammenarbeit mit den Chören des MDR. Aufgaben stehen für den neuen Chef zur Genüge an, sei es die Profilierung der Klangkörper innerhalb der Sendeanstalt trotz der von Möller ausgesprochenen „Bestandsgarantie“, sei es das leidenschaftliche Begegnen von Sparzwängen, die auch vor dem MDR nicht Halt machen. Am Beginn einer neuen Saison mit 74 Konzerten in verschiedenen thematischen Reihen in allen drei Bundesländern, dem 60jährigen Jubiläum des MDR-Kinderchors und einem treuen Abonnentenpublikum steht Aufbruchsstimmung. Jun Märkl bewies am Abend in der Frauenkirche mit einem höchst dynamischen und präzisen Dirigat, dass man hoffnungsvoll in die Zukunft schauen und vor allem hören darf. Lediglich das Publikum muss seine Ohren noch öffnen, denn der seltenen Gelegenheit, die anspruchsvollen Chorwerke von Arnold Schönberg zu hören, darunter sein letztes veröffentlichtes Werk, begegnete das Dresdner Auditorium mit eher gelangweilter Reaktion. Von der faszinierenden Klanglichkeit des jüdischen Gebetes „Kol Nidre“ (mit einem intensiv deklamierenden Stephan Rehm in der Sprecherrolle des Rabbi) unbeeindruckt hörte man in der Pause Zuhörer sich über die Abwesenheit von Johann Sebastian Bach im Programm beklagen. Merkwürdig, dass die Wunschkonzertmentalität sich selbst dann nicht abschaltet, wenn man sich zu einem Konzertbesuch mit Schönberg-Werken entscheidet. Chordirektor Howard Arman leitete im Konzert die a-cappella-Werke aus Opus 50 und das berühmte „Friede auf Erden“, letzteres war für meinen Geschmack ein wenig zu flüssig musiziert. Weltklasse war die Leistung seines homogen und differenziert auftrumpfenden Chores in den drei vokalen Spätwerken; im Psalm 130 konnte sich trotz irrwitziger Stimmführung ein wiegender, ruhiger Ausdruck entwickeln. Jun Märkl präsentierte nach der Pause in äußerst vitaler Musizierweise (das „Dona Nobis Pacem“ war hier als einziger Satz etwas zu fix angelegt) die „Paukenmesse“ von Joseph Haydn und legte Wert auf die Kontraste zwischen innigen langsamen und herausbrechenden schnellen Sätzen. Märkl konnte sich auf ein warm timbriertes, souverän agierendes Solistenquartett (Sybilla Rubens, Claudia Mahnke, Christoph Genz, Stephan Genz) und natürlich auf einen pointiert und den Kirchenraum stets mit großem Klang füllenden Chor verlassen. Über weite Teile war auch das Orchester sehr konzentriert bei der Sache, im Haydn mehr als in den Schönberg-Werken, wo Präzision und Intonation noch einige kleine Wünsche offen ließen.

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Veröffentlicht in Rezensionen

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