Zum Inhalt springen →

Kontrastreiche Eindrücke

9. Abend der Konzertreihe „Spannungen“ der Sinfonietta Dresden

Eigentlich gibt es auch heutzutage viele „Mozarts“ unter uns. Da der Komponist seine Klavierkonzerte zumeist für sich selbst schrieb, können sich heute manche Pianisten fühlen wie der große Komponist. Allerdings mit dem Unterschied, dass heute kaum ein Pianist seine Konzerte selbst schreibt. Und die Frage nach dem Interpreten Mozart stellt sich ebenfalls. Wie mag dieser wohl selbst seine Werke gespielt haben? Doch die Frage nach Authentizität ist müßig, wenn man bedenkt, wie viele Klangfarben und Möglichkeiten der Deutung ein einzelnes Mozart-Konzert einem heutigen versierten Interpreten bietet. So stellt die Konzertreihe „Spannungen“ der Sinfonietta Dresden im Ganzen betrachtet einen wichtigen Beitrag zur Rezeption der Klavierkonzerte dar und angesichts der – leider – nur noch zwei verbleibenden Konzerttermine (denn dann sind alle Klavierkonzerte aufgeführt) sollte man jedem Zuhörer raten, diese Gelegenheiten wahrzunehmen. Dafür spricht auch die Qualität der Darbietung. Milko Kersten und die Sinfonietta boten auch im 9. Konzert ein jederzeit vitales, differenziertes Spiel. Diesmal stand zunächst das Konzert D-Dur KV 175 auf dem Programm. Die japanische Solistin Aki Maekawa, die in Dresden studiert, konnte mit der flexiblen Spielweise der Sinfonietta nicht mithalten. Permanent agierte sie im mittleren Lautstärkebereich, gestaltete die einzelnen Abschnitte mit recht engem Ausdrucksbereich und wirkte insgesamt kraftlos. Perlende Technik allein genügt nicht, um zu Mozart vorzudringen, zudem schien ihre permanent wiegende Haltung am Klavier die Interpretation nicht gerade positiv zu beeinflussen. Dass ein atmendes Spiel und eine feine persönliche Note viel mehr Mozart-Atmosphäre verströmen kann, bewies die Lettin Ilze Jaunzeme mit dem „Krönungskonzert“ D-Dur KV 537. Mit großer Ruhe näherte sie sich dem Werk und inspirierte auch das Orchester zu einer konstant guten Leistung. Besonders im 3. Satz demonstrierte sie ihr außerordentliches Tempogefühl und hielt das Allegretto jederzeit in zurückhaltendem, kontrolliertem Zeitmaß, kostete dabei aber die Details intensiv aus. Zeitgenössische Musik gab es wie immer im Zentrum des Konzertes, als Dresdner Beitrag und Uraufführung erklang „Im Überschwang des Raumes“ von Karoline Schulz. Die Komponistin entfaltete in dem abwechslungsreichen Stück ein ganzes Klangbilderbuch, in welchem sich die gegeneinander vierteltönig verstimmten Orchestergruppen einen dramatischen Schlagabtausch lieferten, der zuletzt in eine große, bewegte Klangfläche mündete. Dies war ein stark nachwirkender Klangrausch, der aber immer plastisch und nachvollziehbar blieb, da Schulz zwischen ausgeklügelter Polyphonie und dem Hin- und Herwerfen von Einzeltönen immer wieder frech changierte. Eine Enttäuschung war leider das Werk des Kroaten Frano Durovic. Sollte der Komponist repräsentativ für neues Komponieren in diesem Land stehen, so sollte man unbedingt einige Schönberg- und Strawinskypartituren dorthin versenden, denn scheinbar ist man nicht einmal bei diesen hierzulande bereits als Klassikern geltenden Komponisten stilistisch angekommen – das „Dolorosa“ für kleines Ensemble schlich akademisch und bedeutungsschwer dahin ohne dass man Freude beim Zuhören bekam. Mit diesen höchst unterschiedlichen Eindrücken bewies die Sinfonietta wieder einmal eine glückliche Hand für die Umsetzung des Konzerttitels: „Spannungen“ waren garantiert.

image_pdf

Veröffentlicht in Rezensionen

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert