Bartók und Tschaikowski im Zykluskonzert der Philharmonie
Unter dem Begriff Zykluskonzert werden bei der Dresdner Philharmonie verschiedene Werke thematisch zusammengefasst, in diesem Saison „Hommage an Traditionen“. Nicht ganz „zyklisch“ verläuft die Verpflichtung von gern gehörten Solisten und so war man am Sonnabend sehr gespannt auf die fällige Wiederbegegnung mit Barry Douglas. Den irischen Pianisten dürften viele Konzertbesucher der Philharmonie noch in besonderer Erinnerung haben, denn er spielte in einem Saisoneröffnungskonzert unter Leitung des damaligen Chefdirigenten Marek Janowski alle drei Klavierkonzerte von Béla Bartók an einem Abend – und dieses Konzert geriet zu einem Triumph. Im 4. Zykluskonzert der laufenden Saison gab es leider diesen Hattrick nicht noch einmal, aber dennoch brachte Douglas erneut das 2. Klavierkonzert von Bartók mit. Hätte man vermutet, die Konzentration auf ein einzelnes Konzert von Bartók hätte Ruhe und Besonnenheit gefördert, so sah man sich getäuscht und in diesem Falle war das auch gut so. So souverän und brillant Douglas damals alle drei Konzerte mit ihrem je eigenen Charakter spielte, so intensiv widmete er sich nun dem zweiten Konzert, das er wild und mit perkussiver Virtuosität anging. Erstaunlich war, dass Douglas die immer wieder anrollenden Wellen von Notenfluten auf dem Klavier unter eine zwar in Hochspannung befindliche, aber immer kontrollierte Tempovorstellung brachte. Diese interpretatorische Übersicht, die quasi den auskomponierten Tobsuchtsanfall (den mancher Kritiker in den 30er-Jahren in diesem Werk gehört haben dürfte) immer wieder strukturierte und klanglich nuancenreich einfärbte kam auch dem in den Ecksätzen wirbelnden Orchestersatz zu Gute. Der dänische Gastdirigent Michael Schønwandt hatte die Bläser mitten zwischen die Streicher platziert, was zwar kaum Wirkung im Saal entfaltete, aber für die Kommunikation auf der Bühne optimal erschien. Zudem trug Douglas‘ faszinierender Tastensturm dazu bei, dass die Philharmonie ebenfalls unter die rhythmische Hochspannung geriet, die dieses Konzert verlangt. Solopauker Alexander Peter glänzte im skulptural anmutenden Mittelsatz im Dialog mit Barry Douglas, der am Ende stürmisch gefeiert wurde. Damit war aber das Konzert noch nicht beendet. Michael Schønwandt musizierte mit der Philharmonie die allseits bekannte 6. Sinfonie von Peter Tschaikowski, die „Pathétique“. Ich bin nicht sicher, ob es an der direkten Tonsprache der Sinfonie liegt, dass der emotionale Nachvollzug die Musiker zu Höchstleistungen motivierte, ob Schønwandts mitreißendes Dirigat dafür verantwortlich war oder schlicht alle positiven Faktoren zusammenkamen – Orchester und Dirigent schufen im Konzert eine beachtliche Interpretation, die wie aus einem Guss schien. Schønwandt schaffte es, allen Sätzen einen kaum spürbaren, inneren Temposchub zu geben, der die Musik weitertrug ohne sich jemals im Detail zu verlieren oder den Eindruck von Hetze zu erzeugen. Damit wurde die Unausweichlichkeit dieser Sinfonie demonstriert, die schon im ersten Satz ihr Ende vor Augen hat und somit kein Scherzo, keine Lebensfreude mehr kennt, es sei denn in der Erinnerung. Zielgerichtet legte Schønwandt daher den Focus auf den letzten Satz und ließ die letzten Noten nicht lange „ersterben“, sondern musikalisierte das Vorbeisein radikaler, indem er kaum das Tempo zurücknahm. Die musikalische Beschäftigung mit Traurigkeit und Tod teilte sich so in vielen Facetten und weit entfernt von jeglichem Pathos unmissverständlich mit.
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