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Vulkan mit Erdverbindung

Julia Fischer im 7. Zykluskonzert der Philharmonie

Sie ist 24 Jahre alt, Professorin an der Musikhochschule Frankfurt und begeistert ihre Zuhörer mit einem enormen Repertoire und mitreißenden Interpretationen: Die Geigerin Julia Fischer ist unglaublich gut. So gut, dass man angesichts der eigentlich notwendigen Superlative Angst bekommt und sich die Augen, nein, die Ohren reibt – gibt es sie wirklich noch, die Instrumentalvirtuosen, die keine Grenzen der Technik kennen und am Rande der Genialität tanzen? Im Kulturpalast durfte man sich beim 7. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie erneut von Julia Fischers Fertigkeiten überzeugen. Diesmal brachte sie das 1. Violinkonzert von Dmitri Schostakowitsch mit, ein Konzert, in dem neben absoluter Beherrschung des Instrumentes eine enorme Emotionalität gefragt ist. Technische Hürden gibt es für Julia Fischer sowieso nicht, das bewies sie mit ihren furchtlosen Tempi im 2. und 4. Satz, in denen aber keine Nuance unterging. Stark war das Nocturno zu Beginn, in dem sie einen seidigen Klang und eine sehr natürliche Phrasierung ideal zu verbinden wusste. Im Scherzo zeigte sie eine unbändige, vorwärtstreibende Kraft; dieser Tanz auf dem Vulkan hatte aber trotz temperamentvoller Glut stets eine Erdverbindung und wirkte darum um so intensiver. Mit dem Gastdirigenten Yakov Kreizberg am Pult hatte sie einen erfahrenen Partner, der bereits viele CD-Aufnahmen der Geigerin betreute. Er ordnete die rasanten Bläserwirbel der Philharmoniker im Scherzo zum Solopart zu und hielt das Orchester in aufregendem, aber nicht aufgeregtem Spiel. In der Kadenz des Konzertes erzeugte Fischer mit intensivster Klanggebung eine spannungsvolle Stille im Auditorium und steigerte die Kadenz von innigster Empfindung bis hin zu jaulenden Doppelgriffen – damit fasste sie die ganze Emotionswelt des Konzertes in ihrem Solo zusammen. Für diese Darstellung wurde sie vom Dresdner Publikum ausgiebig gefeiert und bedankte sich mit einer unprätentiös gespielten Paganini-Zugabe. In der Pause fragte man sich, ob der Dirigent Yakov Kreizberg dieses Musikerlebnis noch steigern würde – Franz Schuberts „Große“ Sinfonie C-Dur stand als sinfonisches Werk auf dem Programm. Doch Kreizbergs Interpretation wurde dem Werk nicht gerecht. Zwar zeigten die Philharmoniker eine souveräne Gesamtleistung, doch die durchweg übertriebene Zeichengebung vom Dirigentenpult verhinderte einen ausbalancierten Klang und beförderte an vielen Stellen lautes, undifferenziertes Spiel. Kreizberg hatte in Gestalt der Sinfonie ein wunderbares Geschenk in den Händen, allein er schüttelte das Paket anstelle es sorgsam auszupacken und die zahlreichen Schönheiten zu entdecken. In den flinken Tempi hätten Themenübergänge und harmonische Entwicklungen mehr Aufmerksamkeit benötigt, die Verdopplung der Holzbläser stand einer differenzierten Interpretation ebenfalls im Wege. Die gute Schostakowitsch-Darstellung bewies, dass Kreizberg mit modernerem Repertoire zu fesseln vermag, sein Schubert jedoch blieb insgesamt blass.

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