Christoph Eschenbach und der Rundfunkchor Berlin zu Gast bei der Philharmonie
Die Konzertsaison der Dresdner Philharmonie ist bald beendet, vor der verdienten Sommerpause wird noch ein Konzert mit Filmmusik anstehen. Der „Artist in Residence“ Christoph Eschenbach beehrte die Philharmoniker am vergangenen Sonnabend noch einmal. Für das Sonderkonzert in der Frauenkirche hatte der Dirigent adäquate geistliche Werke ausgewählt und dabei den reizvollen Kontrast zwischen Barock und Romantik sowie protestantisch und katholisch geprägten Kompositionen gesucht. Doch der ökumenische Gedanke liegt wohl in der gespielten Note selbst, die, erklingt sie einmal, kaum mehr Postulat einer Kirche, sondern Ausdruck von lebendigem Glauben ist. Die akustische Crux in der Frauenkirche spielte allerdings auch in diesem Konzert eine Rolle. Trotz großer spielerischer Anstrengung war im eingangs erklingenden Magnificat D-Dur von Johann Sebastian Bach das Klangvolumen der Streicher oft zu dick – die „Wolke“ über dem Altarraum entsteht schneller als es einem lieb ist. Eine kleinere Streicherbesetzung hätte mehr Differenzierung gebracht und wäre keineswegs zu schwach gewesen anlässlich des 60köpfigen Chores, der flexibel genug war, um zu feinstem Piano zu verschmelzen. Christoph Eschenbach kam es im Magnificat auf eine flüssige, schnörkellose Darstellung der kompakten Aussage des Werkes an. In Sachsen ist man eher Aufführungen in der Adventszeit gewohnt, aber Bach selbst sah ja eine „weihnachtsbereinigte“ Fassung dieser Lobpreiskantate vor. Schon hier fiel der Rundfunkchor Berlin mit überzeugender Ton- und Textgestaltung sehr angenehm auf. Ein Solistenquintett mit Rinat Shaham, Annette Jahns, Tim Severloh, Pavol Breslik und Hanno Müller-Brachmann hatte die kleinen aber feinen Aufgaben der Arien zu übernehmen, jedoch konnten nur die Damen mit ansprechender Interpretation überzeugen. Bresliks recht dünne Tenorstimme, Müller-Brachmanns seltsam zerhackter Legato-Gesang und der nicht immer sensibel geführte Altus von Tim Severloh gefielen weniger. Das wäre bei einem großen Oratorium mit vielen Arien zu verschmerzen gewesen, nicht aber bei diesem kurzen und beliebten Werk.
Das Orchester nahm Eschenbachs Hinweise im Magnificat gut auf und zeigte in den Instrumentalsoli der Arien und im Continuo makellos schönes Spiel. Im weiteren Konzertablauf wandelte sich der Charakter des philharmonischen Konzertes in ein erstklassiges Chorkonzert, was schlicht daran lag, dass in der 2. Messe e-Moll von Anton Bruckner die Bläser eine eher hintergründige, wenngleich wichtige Ebene einnehmen. Die Philharmoniker übernahmen diesen Part souverän und fügten sich in die Dynamik des Chores gut ein. Der schwedische Chordirgent Stefan Parkman hatte den Rundfunkchor Berlin optimal auf das Konzert vorbereitet. In den beiden in der Mitte des Konzerts platzierten Motetten „Ave Maria“ von Bruckner und „Ave verum“ von Mozart entfaltete sich der Klang ruhig und intensivst im Kirchenraum. Eschenbachs Zugang zur Bruckner-Messe war gleichsam von zupackender Kraft wie von sanfter Gelassenheit gekennzeichnet. Die meisten Tempi – bis auf das natürlich fließende und so auch schlüssig musizierte „Sanctus“ – waren eher langsam angesetzt, doch Eschenbach definierte mit dem Chor den harmonischen Verlauf sehr genau, so dass Steigerungen zielgerichtet in starke Eruptionen mündeten, bei welchen man über die selbst im fortissimo weich strömende Klanggewalt des Chores staunte. Im von Eschenbach gut ausgeformten Dur-Moll-Wechsel des „Agnus Dei“ fand die Messe einen demütigen Ausklang. Stetige Sauberkeit und eine gute Klangabstimmung der einzelnen Stimmgruppen setzte sich auch nach den Kraftanstrengungen der vorherigen Sätze hier wie selbstverständlich fort. Begeisterter Applaus war die Folge dieses außergewöhnlichen, emotional berührenden Konzertes.
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