Sommer-Open-Air der Dresdner Philharmonie am Elbufer
Mit Pauken und Trompeten verabschiedete sich die Dresdner Philharmonie am Sonntag bei den Filmnächten am Dresdner Elbufer in die wohlverdiente Sommerpause. Nicht ohne den Dresdnern noch ein mit klassischen Schmankerln gefülltes Konzert in voller Orchesterbesetzung zu schenken. Nunja, ganz geschenkt war es nicht und vielleicht trug der nicht ganz billige Eintrittspreis auch eine Mitschuld, dass es im Filmnächte-Areal viele leere Reihen gab. Manch treuer Abonnent wird wohl schlicht bereits im ebenfalls verdienten Urlaub gewesen sein. Im Vergleich zu anderen Sommer-Open-Airs muss sich diese Veranstaltung noch ein bißchen mausern: die Einladung zum Picknicken musste angesichts von Plastikstühlen auf Asphalt verpuffen, vereinzelt ließ man es sich im Rund aber dann doch mit Sekt und Schnittchen gutgehen. Für die Musiker war das Open-Air eine besondere Herausforderung. Auf der Bühne hören die Musiker aus akustischen Gründen von den Mitspielern so gut wie nichts und müssen bei ihrem Spiel auf die Tonanlage vertrauen, die es richten wird und den nachhalllosen Klang namens „Orchester“ erst zusammenbaut. Das gelang gut, wenngleich die dynamische Bandbreite keinen Vergleich zu dem Konzert am Vortag zuließ, bei dem die „Söhne Mannheims“ auch noch am Rosengarten zu hören waren. Dabei hatte das von Deutschlandradio-Kultur- Moderator Holger Hettinger verbal betreute sommerliche Programm reichlich fortissimo und Schmiss zu bieten und man staunte, wie präzise die Philharmoniker auf der mehr und mehr von einem Insektenorchester bevölkerten Bühne agierten. Immer wieder gerne äußere ich die Kritik, dass konzeptlose Lichtregie angesichts anspruchsvoller Musik bei solchen Konzerten durchaus eingespart werden kann, wenn sich das kreative Ergebnis auf „blaue Lampe“ und „gelbe Lampe“ reduziert. Doch die Gesetze eines Open-Airs erfordern auch Trockeneis und wabernde Geometrie am Bühnenhintergrund, dazu die obligate Jackett-Entfernung des Dirigenten im zweiten Teil. Dass derlei Aufbrechen der Kleiderordnung nur wenige Konsequenzen im musikalischen Bereich nach sich zog war etwas schade – der Gastdirigent Dmitri Jurowski glänzte nicht gerade durch eine temperamentvolle Interpretation der auf dem Pult liegenden Partituren. Die Maskerade-Suite von Chatschaturjan und die Cinderella-Suite von Prokofieff dirigierte er reichlich emotionslos durch, etwas knackiger kam die Suite aus der Filmmusik zu „Die Hornisse“ (Nomen est omen – doch hoffentlich waren es nur harmlose Fliegenschwärme im Scheinwerferdunst der Bühne) von Dmitri Schostakowitsch daher. Regelrechte „Sicherheitsfassungen“ amerikanischer Orchesterschlager gab es nach der Pause – die „Candide“-Ouvertüre verträgt ebenso etliche Striche mehr auf dem Metronom wie Gershwins bekannte Ouvertüre zu „Girl Crazy“. Die erste Tanzepisode aus Bernsteins „On the town“ war angesichts von Jurowskis steifem, kaum differenzierenden Dirigat kaum mehr wiederzuerkennen, Tänzeleien auf dem Podium lenkten da nur von der schwachen Leistung des Dirigenten ab. Zu bestaunen war allerdings, wie die Philharmoniker sich auch ohne viel Zuwendung von vorne durch die Partituren arbeiteten und von russischer Bläserschwere bis zu schwereleichtem Bernstein-Jazz jede Stilistik professionell und klangstark in Angriff nahmen. Besonders in ruhigen Sätzen der Suiten brillierten die Musiker, die beiden Violin- und Cellosoli waren empfunden interpretiert. Die amerikanische Sopranistin Leah Partridge interpretierte lediglich zwei kurze, aber wohlbekannte Broadway-Songs. Ihr „Summertime“ und vor allem das auch rhythmisch unsichere „Glitter and be gay“ mit einer unruhig geführten, in Mittellagen selten einmal weich timbrierten Stimme konnte jedoch nicht überzeugen. Am Ende gab es großen Applaus für die sommerabendliche Sinfonik, mit zwei Zugaben entließen die Philharmoniker die Zuhörer in die Nacht. Ärgerlich und zudem für die Besucher gefährliche Ausmaße annehmend ist die Tatsache, dass die Stadt und die Filmnächte- Veranstalter weiterhin nichts unternehmen, um Autos vom Elberadweg zu verbannen. Sowohl Orchestermusiker als auch Publikum parkten in großer Zahl unter der Carolabrücke und es kam auf dem unbeleuchteten Weg zur Ausfahrt an der Albertbrücke zu einigen gefährlichen Situationen, da sich kaum ein Fahrzeug um angepasste Geschwindigkeit scherte und unter der Brücke auch noch ein LKW im Fußgängerverkehr rangierte. Rings um die Ministerien sind abends hunderte kostenfreie Parkplätze vorhanden, ist es so schwer, sich einmal 100m zu Fuß zu seinem Auto zu bewegen?
Getroffen! Sehr schöne Kritik. Ich denke, Open-Air ist für klassische Musik eh eine eher schwierige Umgebung. Schnell ist man da bei „Höher, schneller weiter“ angelangt.
Und ich freu mich natürlich auch, dass nicht nur der ADFC bemerkt hat, dass die Befüllung des Elbradwegs mit Autos eine ziemlich eigenartige Situation ist, die man sich so eigentlich nicht wirklich wünschen kann…
kg