MDR-Sinfonieorchester gastiert mit „Amerika!“ auf Schloss Wackerbarth
Es bedurfte einiger Stoßgebete, die Publikum, Veranstalter und Interpreten wohl vereint losgeschickt hatten, damit rechtzeitig zum Sonntag der Dauerregen an der Elbe ein Ende nahm und der MDR-Musiksommer im Weingut Schloss Wackerbarth einziehen konnte. Der Wettergott hatte ein Einsehen und so traf man beim nachmittäglichen Wandeln an den Radebeuler Weinstöcken auf gutgelaunte Konzertbesucher, die die Atmosphäre des Sommer-Open-Airs sichtlich genossen. Man hätte es bei lauschigen Melodien zu einem Glas Wein oder Sekt bewenden lassen können, doch der MDR bot auf der Schloss-Bühne nicht nur sein komplettes Sinfonieorchester dar, sondern auch hochkarätige Solisten. Unter dem Titel „Amerika!“ wurde zudem ein abwechslungsreiches Programm geboten, dass sich nicht mit gängigem Broadway-Sound begnügte, sondern den Zuhörer auf eine anspruchsvolle klassisch-moderne Reise von New York bis nach Buenos Aires mitnahm. Leonard Bernsteins „Candide“-Ouvertüre ist als Eingangsstück durchaus beliebt, seltener werden weitere Stücke aus der Oper gespielt, die hier in Charlie Harmons Arrangement zu Gehör kamen. Für das Konzert des Musiksommers konnte der Este Kristjan Järvi als Dirigent gewonnen werden. Dessen breite musikalische Interessen und sein bereits im ersten Stück auf das Orchester überspringende Charisma ließen ihn als ideale Wahl erscheinen. Im Orchester herrschte nicht nur besonnenbrilltes Vergnügen anlässlich der funkensprühenden Bernstein-Partitur vor, sondern es war durchaus der Anspruch spürbar, den Konzertbesuchern besondere musikalische Erlebnisse zu bieten. Das Klangergebnis war durchweg überzeugend – das Orchester erreichte unter immer schwierigen Open-Air-Bedingungen eine homogene und differenzierte Klangkultur. Das kam natürlich den Solisten der beiden Konzertwerke zugute, die sich stets auf die „Hintermannschaft“ verlassen konnten. Der amerikanische Saxophonist und Komponist Daniel Schnyder stellte als Solist des eigenen Werkes gemeinsam mit Damien Bassman (Percussion) sein „Songbook“ für Saxophon und Orchester vor und begeisterte das Publikum nicht nur mit einem Werk, das klug zwischen den Stilen changierte und dabei immer melodiös und abwechslungsreich klang, sondern auch mit einer nur faszinierend zu nennenden Interpretation, bei der man über den strömenden Saxophonklang und große Virtuosität staunen konnte. Wandelt schon Bernstein abseits der klassischen Pfade, so waren spätestens hier alle stilistischen Grenzen aufgehoben und man hatte das Gefühl, einem originären Kunstwerk zu lauschen, das vor allem von der Intensität von Schnyders Spiel lebte. Nach der Pause gab es aber nahtlos weitere Höhepunkte: Carel Kraayenhof gilt als einer der weltweit besten Bandoneon-Spieler – ihn auf Schloss Wackerbarth mit Ástor Piazzollas nachträglich „Aconcagua“ betiteltem Concierto und in der Zugabe mit „Adiós Nonino“ zu erleben, war ein vollkommener Genuss. Bei all diesen „Grenzüberschreitungen“ sollte auch bemerkt werden, dass da keinesfalls leicht zu spielende Partituren auf den Notenpulten des Orchesters lagen. Kristjan Järvi war jedoch mit knapper und präziser Zeichengebung ein kluger Sachwalter der mitreißenden Stücke. So gelang die abschließende Ballett-Suite „Estancia“ des Argentiniers Alberto Ginastera durchaus mit rauschendem Tutti-Klang, aber eben auch in den Mittelsätzen kultiviert und mit stets transparentem Bläsersatz. Dass der „Malambo“ zweimal gegeben werden musste, war der Beweis für ein rundum stimmiges Sommer-Konzert.
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