„Kunstbogen Dresden“ gründet sich mit einer Messiaen-Konzertreihe
Seit dem vergangenen Wochenende besitzt Dresden einen „Kunstbogen“. Hinter diesem Namen verbirgt sich eine kleine, aber feine Konzertreihe, die der Kapellmusiker Henrik Woll ins Leben gerufen hat und die sich projektweise und in loser Folge in Dresden zu Wort (und auch „zu Ton“) melden wird. Der Bogen steht für das Dach der vielfältigen Inspirationen, die von der Kunst ausgehen und somit schließt Woll in der Reihe Musik, Literatur und bildende Kunst mit ein. Schon durch die Titelwahl wird klar, dass es Woll nicht um bloße Konzerttätigkeit geht, sondern um die Förderung des Diskurses und der Erforschung unterschiedlicher Dramaturgien und ihrer Wirkungen. Es ist sicher kein Zufall, dass im ersten Projekt ausgerechnet ein Komponist im Mittelpunkt stand, der auf ideale Weise den Begriff „Kunstbogen“ auszufüllen vermag: Olivier Messiaen vereinigt in seinen Werken Kunst und Natur, Religion und Philosophie zu immer neuen, schillernden Zusammenklängen. Grund genug für Henrik Woll, zum 100. Geburtstag des Komponisten unter dem Titel „Messiaen 100 Jahre – Farbe der Zeit“ vier Konzerte im Cosel-Palais zu veranstalten, fast ein kleines Festival also. Gleich zwei Mal stand dabei das „Quatuor pour le Fin du Temps“ (Quartett auf das Ende der Zeit) auf dem Programm. Vor einer Woche erst stand das Werk auf dem Programm eines Kapell-Kammerkonzertes und angesichts der tiefen musikalischen Botschaft des Stückes bin ich geneigt zu sagen: es kann gar nicht oft genug gespielt werden. Doch muss man schon die Besonderheit feststellen, dass es überhaupt binnen Wochenfrist in Dresden gleich mehrfach erklungen ist – in herausragenden Interpretationen verschiedener Ensembles. Hier musizierten neben Woll der Cellist Simon Kalbhenn, der Klarinettist Fabian Dirr und Pianist Christoph Berner – allesamt schufen sie eine starke, konzentriert musizierte Deutung des „Quatuor“, die nur an wenigen Stellen schwereloser und emotionaler vorstellbar wäre. Schön war der Kontrast zwischen den wirbelnden Ensemblesätzen und den ruhig empfundenen Solosätzen gelungen, schwieriger empfand ich die permante Lesung aus der biblischen Offenbarung, obleich der Schauspieler Dirk Glodde seine Sache sehr gut machte. Jedoch zieht sich so ein Faden durch die Musik, der zwar auch von Messiaen ergriffen wurde, doch in ganz eigener Weise schon in der Musik gespiegelt ist, so dass die Lesung eine atmosphärische Folie auf die Musik legt, die eher einengt denn öffnet. Eine ähnliche Schieflage erhielt auch das Konzert am Sonntagnachmittag. Zwar mag man sich unter dem „Kunstbogen“ sicherlich viele unterschiedliche Kreationen vorstellen, aber Gedichte von Georg Trakl zu Messiaens Musik zu lesen, das war eine denkbar unglückliche Verbindung, die sich selbst als Gegensatzpaar ausschloss. Doch gab es hier spannende frühe Werke des Komponisten zu entdecken: „Thème et variations“ und „Fantasie“ (1932/33) für Violine und Klavier wurden temperamentvoll von Holger Grohs und Masumi Sakagami dargeboten. Die Flötistin Rozália Szabó widmete sich „Le Merle Noir“ (Die Amsel) aus dem Jahr 1951 und Diana Al-Hassani schuf eine kräftig-selbstbewusste Interpretation des komplexen, umfangreichen Klavierwerkes „La Rousserolle effarvatte“ – „Der Teichrohrsänger“ aus „Catalogue d’oiseaux“ (1958) – zwei eindrucksvolle Beispiele der Einbeziehung von Vogelgesängen in die Kompositionen Messiaens. Bereits am Vortag erklangen schon ein Liederzyklus sowie Klavierstücke des Komponisten. Gemeinsam mit den Konzerten von Philharmonie und Staatskapelle dürfte der „Kunstbogen“ wesentlichen Anteil daran haben, dass einer der wichtigsten Komponisten des letzten Jahrhunderts in Dresden nicht länger ein Unbekannter ist.
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