Musik des Künstlers Chris Newman erklang im Leonhardi-Museum
Fragmentarisch wirkende Bilder hängen an den Wänden im Leonhardi-Museum, da und dort ein Strich, eine zerrissen wirkende Figur, eine irritierende Farbfläche. „Silly Berlin“ liest man unverblümt auf einem Bild und von ähnlich schockierender Klarheit sind die Worte, die der britische Künstler Chris Newman zu Beginn seines Porträtkonzertes spricht. Newman, so lernen wir im Laufe des Konzertes, ist ein Allrounder in der Kunst, vielleicht einer der wenigen, die nicht die permanente Ausstellung eines einmal gefundenen Weges bevorzugen, sondern über alle Grenzen hinweg immer weiter suchen und forschen. Newman sammelt auf diesem Such-Weg Bilder, Töne, Objekte, Filme; er malt, installiert, übersetzt, singt und spricht. Die Ausstellung im Leonhardi-Museum trägt den Titel „Solid State Variation“, eine Annäherung an den Ist-Zustand, in dem wir uns befinden. Newmans Musik erklingt erstmals in einem Raum mit seinen Bildern und fügt den Bildern eine Raum-Zeit-Dimension zu. Vom „Innen“ und „Außen“ spricht der Künstler zur Einführung seiner Kompositionen und schnell wird bei den ersten Tönen klar, dass es bei Newman keine weiteren Geheimnisse gibt; die Direktheit dieser Botschaft regierte jeden Ton: das „Innen“ als abstrakter, schwer fassbarer und doch widersprüchlich-menschlicher Organismus, das „Außen“ mit der (Klang-)Welt des Bekannten, Vergangenen. In einem Konzert des Netzwerk Neue Musik war das Dresdner elole-Klaviertrio kluger Sachwalter dieser besonderen Musik. „4 Hours Lost in the heart of Germany“ erschien als ein lose gefügtes, am Ende aber überraschend zwingend angelegtes Monodram, das im Jetzt, im Augenblicksmoment einer Notiz und damit des intuitiv niedergeschriebenen Gedankens verblieb. In der abstrakten Klangwelt irritierte vor allem die recht einförmig behandelte Lautstärke; im wohligen Dauer-forte nahezu aller Stücke des Abends kam aber der skulpturale Charakter der Musik gut zur Geltung. Provokanter ist da schon Newmans Zugang zu Tempo und Rhythmus, der Stefan Eder in der 7. Klaviersonate vor die Aufgabe stellte, sich quasi in zwei voneinander unabhängigen Pianisten zu zerteilen; diese Schizophrenie innerhalb der ersten beiden Sätze gelang ihm ebenso gut wie der dann folgende ästhetische Bruch: Newman hängte an die beiden aus einer Improvisation stammenden Sätze eine komplette Transkription einer Sinfonie von Johann Christian Bach an, wodurch sich plötzlich ein großes Fenster in vergangene Zeiten öffnete. Für das elole-Trio schrieb Newman außerdem ein neues Werk: „Weird words in a language we understand“ (etwa: „bizarre Worte in einer Sprache die wir verstehen“), Uta-Maria Lempert (Violine) und Matthias Lorenz (Cello) verschmolzen hier zu einem einzigen wabernd-flirrenden Glissando-Streichinstrument, während Stefan Eder am Klavier die quasi die Fenster nach draußen geöffnet hielt, diesmal in Richtung Beethoven und wieder mit parallel verlaufenden Charakteren. Erfrischend klar und neu-artig klang diese ungewohnte Musik, die einige spannende Facetten eines äußerst vielseitigen Gegenwartskünstlers zeigte.
* CHRIS NEWMAN, bis 15. Februar 2009, Leonhardi-Museum, Grundstr. 26, Dresden
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