Hendrix meets Beethoven meets „The Knights“ im Schlachthof
„Join Us!“ riefen die Ritter aus New York und die Dresdner kamen. Zwar leider nicht in Scharen, aber die Liebhaber des gepflegten Crossovers waren ebenso anwesend wie Neugierige und Unbedarfte. „Ein Orchester, das die Vorstellung davon, was ein Orchester alles sein kann, erweitert“. Mit diesem etwas kryptischen Satz wurden die Stars aus New York in Dresden eingeführt. In der Elbstadt, in der seit über zehn Jahren in ähnlichen Genres die Dresdner Sinfoniker begeistern, ist die Vision vom grenzensprengenden freien Ensemble längst Wirklichkeit geworden (von ebenso rührigen Neue-Musik-Ensembles ganz zu schweigen). Mit dieser Erfahrung im Hintergrund relativiert sich der Sensationsfaktor der „Knights“ etwas. Die sympathischen, lockeren New Yorker boten im Schlachthof ein jederzeit konzentriertes und durch und durch motiviertes Spiel, das nötigt allen Respekt ab. Das Programm war natürlich auf die besonderen Qualitäten des Ensembles abgestimmt – da wirkte Charles Ives‘ „Unanswered Question“ (mit nur ein wenig zu präsenten Streichern) zu Beginn schon fast wie die Titelmelodie eines neuen Amerika, dem aber leider kein adäquates Werk derselben Herkunft mehr folgte. Die zwischen die amerikanischen Werke eingezwängte „Coriolan“-Ouvertüre von Ludwig van Beethoven, der die freundliche Aufforderung zum DVD-Kauf vorausging, wurde vom Ensemble als 8-Minuten-Tempo-Schlager missverstanden. Das schmerzte um so mehr, da die „Ritter“ akustisch verstärkt wurden, was im Schlachthof wohl notwendig ist, das Hauptthema der Ouvertüre aber aller Gewalt beraubt. Musikfestspiel-Intendant Jan Vogler ließ sich natürlich das Vergnügen nicht nehmen, die jüngst mit dem Ensemble eingespielte Bearbeitung von Jimi Hendrix „Machine Gun“ selbst vorzustellen. Statt „Händel zum Mitsingen“ nun Hendrix aus dem Cellokorpus – die Musikfestspiele werden bunter und zumindest dieses Arrangement bewies, dass das Cello ein ernstzunehmender Vorläufer der E-Gitarre gewesen sein muss. An Philip Glass‘ Musik schätzen die „Knights“ deren Fähigkeit, „Publikum und Künstler in einen gemeinsamen Gemütszustand zu versetzen“. Gemütsgemeinsamkeiten mit meinen Reihennachbarn konnte ich nicht wirklich feststellen; das kurze Stück „Company“ versprühte allenfalls den Charme einer vor sich hin rotierenden Küchenmaschine. Eine wirkliche Begründung für eine Aufführung dieses Werks habe ich nicht gefunden. Ähnlich erging es mir mit Coplands „Appalachian Spring“. Während die Orchesterfassung wenigstens rauschende Klangfarben versprüht, ist die hier vorgestellte Version für 13 Instrumente skelettiert: man schaut auf den Boden der Partitur und findet außer rührseliger Quarten-Melodik nicht gerade viel. So verklang der erste Teil als gut gespielter, aber doch wenig intensiv nachwirkender Potpourri von Melodien, die dem Orchester offenbar am Herzen lagen. Im zweiten Teil stellte dann die im Ensemble spielende Christina Courtin eigene Lieder vor. Hier verabschiedete man sich endgültig aus dem klassischen Bereich auf die bunte Insel der Singer und Songwriter, allerdings nicht ohne üppig-raffinierte Orchesterarrangements mitzunehmen. In New York gilt Courtin bereits als Geheimtipp, die erste CD steht kurz vor der Veröffentlichung. Die selbstgeschriebenen Lieder überzeugen den, der emotional getragene Balladen im Folkpop-Bereich und eine gewisse ästhetische Weichheit bevorzugt. Leider konnte Courtin stimmlich nicht mit der kompositorischen Qualität ihrer Lieder mithalten: im oberen Bereich kippte ihre etwas verhauchte Stimme trotz merklicher körperlicher Anstrengung in unhörbare Bereiche weg. Immer wieder verschwand Courtin mit schüchterner Geste dynamisch hinter dem Orchester, anstelle den Saal einmal komplett einzunehmen. Was da merklich mit Seele vorgetragen wurde, hatte schlicht zu viele technische Mängel – mit den Großen ihrer Zunft wird sie in dieser Form kaum mithalten können.
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