Musik von Kernis, Schoenfield und Crumb in der Musikhochschule
Unter dem Titel „American Daydreamer“ präsentierten die Dresdner Musikfestspiele gemeinsam mit der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ ein zweitägiges Portrait des amerikanischen Komponisten Aaron Jay Kernis, das mit einem Triokonzert am Donnerstagabend im Konzertsaal der Hochschule zu Ende ging. Sicher hätte sich der anwesende Komponist ein volleres Haus gewünscht, aber das anwesende Publikum zeigte sich sehr interessiert und konzentriert, obwohl (oder gerade weil?) das Programm, das neben Kernis noch mit Werken von George Crumb und Paul Schoenfield aufwartete, einen bunten, zeitweise sogar abenteuerlichen Strauß Musik der letzten dreißig Jahre bot. Dabei ist die „Neue Welt“ nicht automatisch gleichzusetzen mit „neuen Klängen“, denn wenn es eine Konstante im Programm gab, dann die Referentialität der Musik. Im musikpolyglotten Amerika ist die Bezugnahme auf alle möglichen Stile, Traditionen und Vorväter selbstverständlich. Allerdings gibt es in der Qualität und im Geschmack deutliche Unterschiede vom Epigonentum bis hin zum raffinierten Weiterdenken bestehender Stile und Traditionen. Bei lediglich zwei vorgestellten Werken von Aaron Jay Kernis lassen sich sicher nicht die allgemeinen Charakteristika seiner Musik erfassen, wohl aber der unmittelbare Eindruck dieser beiden Werke. Kernis‘ „Music for Trio“ bezog sich stark auf die Minimal Music; das Werk zog sich auf wenig ansprechenden Tonsträngen über einen langen Zeitraum hin. Die Komplettflucht in ein paar Takte Tonalität wurde so dann schon wieder zum Ereignis. Camilla Hoitenga (Flöte), Felix Fan (Cello) und Andrew Russo (Klavier) widmeten sich diesem wie allen Werken des Abends mit intensiver Hingabe und zeigten vor allem in der Verschmelzung der Klangfarben eine tolle Leistung. Homogenität in einem anderen Aspekt gab es dann im folgenden Stück: zackiger „Drive“ aller Beteiligten ist in Paul Schoenfields „Café Music“ gefragt. Hier trat der Dresdner Geiger Florian Mayer (Violine) zum Ensemble hinzu und verlieh der Musik auch gehörigen Schub. Kaum vorstellbar ist allerdings, wie gemäß der im Programmheft zitierten Ursprungsidee des Komponisten – „Ich wollte eine Art hochwertige Dinnermusik schreiben“ – angesichts des kompromisslos rockenden Trios noch an gepflegtes Speisen zu denken wäre. Immer wieder blitzte in Schoenfields Musik ein nobler Humor durch, wenn sich Kadenzen verhakten oder eine Synkope im Nichts landete – die explosive Lebendigkeit dieser Musik, die frank und frei zwischen Klassik, Folk und Jazz schwingt, ist frappierend und läßt keinen Hörer kalt. Nach der Pause erklang ein Werk von George Crumb und entfaltete eine Wirkung wie ein wohltuendes Bad in der Natur: In „Vox Balaenae“ – „Stimme der Wale“ beobachtete man den Komponisten im Dialog mit den Walgesängen, mit dem Meer, letztlich mit allem Leben. Man konnte über die gleichsam komplexen wie simplen Lösungen der Musik nur staunen – Crumb geht äußerst respektvoll mit dem Thema um und findet am Ende sogar Klänge für eine Art inneren Frieden. Die Interpretation von Hoitenga, Fan und Russo war beeindruckend und von großer Spannung getragen. Das Ende des Konzertes gehörte wiederum Aaron Jay Kernis und drei „Superstar-Etudes“, Klavier-Hommagen an Theolonius Monk, George Gershwin und Jerry Lee Lewis, von Andrew Russo mit gehörigem Körpereinsatz vorgetragen. Der „Kolorist“ Kernis zeigte hier ganz andere, zum Teil recht gewalttätige Klangfarben. Zwischen Original und Hommage lag ein dem Hörer recht unergründlicher Weg, denn die Distanz zu den genialen Musikwelten der drei Porträtierten war doch zu groß.
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