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Händel und Mendelssohn – facettenreiche Häppchen

MDR-Musiksommer gastierte mit Chor und Orchester in der Frauenkirche

„Sommersinfonik“ nennt der MDR Musiksommer seine Konzertreihe, mit dem die Klangkörper des MDR derzeit in verschiedenen Orten des Sendegebietes gastieren, so auch am Sonnabend in der fast ausverkauften Dresdner Frauenkirche. Die sommerliche Stimmung legitimiert wohl ein Programm hart an der Grenze zur Unkultur des Häppchenradios. Man goutiert es trotzdem: schließlich huldigt man wieder einmal den Jubilaren Mendelssohn Bartholdy und Händel, und das auch noch auf einem so hohen Niveau, dass man den Gram über die „Best-Of“-Dramaturgie auch schnell beiseite legt. Das genaue Programmstudium offenbarte zudem eine intelligente Auswahl der Stücke. Dirigent Howard Arman präsentierte mit dem MDR-Rundfunkchor und dem MDR-Sinfonieorchester weniger Händel und Mendelssohn zum Mitpfeifen (folgerichtig fehlte auch Händels „Halleluja“ im Programm) als vielmehr den Facettenreichtum oratorischer und motettischer Kompositionskunst beider Komponisten, und gerade in der Verwendung theatralisch-musikalischer Mittel gab es hier viele Verwandtschaften zu entdecken. Mit Mendelssohns „Hora Est“ stand ein selten aufgeführtes Werk für 16stimmigen Chor am Beginn, das sich im gut dosierten Klangvolumen des MDR-Chores deutlich bis zum Ende hin steigerte – auf die nachschlagende Orgel hätte allerdings verzichtet werden müssen. Plastisch und opulent geriet anschließend der 114. Psalm von Mendelssohn, wobei Orchester und Chor eine intensive Textausdeutung formten. Arman verstand es immer wieder, aus der Ruhe heraus seine Absichten zu vermitteln und transparenten, tragenden Klang zu erzeugen. Das faszinierte auch in den Chören aus Händels „Israel in Egypt“, die trotz der Zerstückelung eine Intensität erhielten, als hätte man sich mehrfach in die laufende Handlung eingeblendet, so etwa in der „entspannten Höchstspannung“ des „He spake the word“ oder in der rezitativischen Kraft des „He sent a thick darkness“. Obwohl das MDR-Orchester hier anständig seine Begleitrolle erfüllte, hätte man sich für die barocke Musik ein Ensemble gewünscht, das Armans gestalterische Absichten hätte besser einlösen können. So waren die Schläge in „He smote the first-born“ zwar exakt gesetzt, aber man hörte eben „Händel mit großem, modernem Sinfonieorchester“, dies musste in der Kirche oft zu abgedämpft, zu konturenlos klingen. Im zweiten Teil gab es die Kürzestfassung (Ouvertüre-Choral-Schlusschor) von Mendelssohns Oratorium „Paulus“ zu hören, wobei sich Arman hier für recht legere, gefällige Tempi entschied und die Enden etwas eckig gerieten. Da zudem die Schlussfuge „Lobe den Herrn, meine Seele“ nicht ganz homogen ausfiel, war diese Häppchenkost der schwächste Programmteil. Versöhnt wurde man mit der innigen Hymne „Hör mein Bitten“; Antje Moldenhauer-Schrell (Sopran) gestaltete hier aus dem Chor heraus souverän und warm timbriert die Solopartie, wie auch andere Sänger kleinere Passagen in den Händel-Chören übernahmen. Mit Chören und Orchesterstücken aus Händels „Saul“, „Solomon“ (in wunderbarer piano-Grundhaltung) und „Judas Maccabaeus“ ging es weiter, bevor der kunstvolle Chorus „Worthy is the Lamb“ aus dem Messias den Abschluss bildete. Über 10 Jahre leitet Howard Arman nun erfolgreich den MDR-Rundfunkchor – er besitzt ein Ensemble, das durch seine hohe Flexibilität imstande ist, stets den Kern der Musik zu treffen – auch wenn die Komposition nach drei Minuten schon wieder vorüber ist. Das Konzert war also ein Genuss für Kenner und Liebhaber und vielleicht auch ein Anreiz für die Zuhörer, die vorgestellten Werke einmal in Gänze kennenzulernen.

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