Herbert Blomstedt im 3. Kapell-Konzert
Die Gabe, den Menschen Musik zu schenken ist vielleicht eine Frage von Talent und Fähigkeiten, aber sicher keine Frage des Alters. Am ehesten noch quittiert die Stimme eines Sängers den Dienst; Pianisten setzten sich auch im hohen Alter ans Klavier und gerade bei Dirigenten erscheint die „Rente mit 65“ indiskutabel, denn manche trauen sich in diesem zarten Alter gerade erst an große Werke der Musikliteratur heran und sorgen dann für nicht selten von der selbst erlebten Intensität des Lebens gezeichneten Interpretationen. Mit 82 Jahren gehört auch Herbert Blomstedt längst nicht zum „alten Eisen“ und betrachtet man seine Auftritte in den letzten Jahren, so scheint ein prall gefüllter Terminkalender für ihn das reinste Lebenselixier zu sein. Fast schon so etwas wie Dankbarkeit sieht man in seinen Augen blitzen, wenn man ihn am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden agieren sieht. Denn mit diesem Klangkörper ist er so vertraut, dass nur kleine Zeichen für das Entstehen des warmen und runden Kapellklangs genügen. Vor vierzig Jahren dirigierte Blomstedt das erste Konzert in Dresden. Zehn Jahre lang war er Chefdirigent und heute ist er ein stets gern gesehener Gast, sowohl vom Publikum, das sein Bühnenjubiläum im Konzert am Freitagabend mit stehenden Ovationen feierte, sondern auch vom Orchester, das sichtbar gerne mit Blomstedt musiziert. Der schwedisch-amerikanische Dirigent kennt im Repertoire kaum Berührungsängste und wählte für sein Programm in Dresden und eine anschließende Tournee Werke von Beethoven und Tschaikowksy aus. Beethovens Tripelkonzert C-Dur, Opus 56 erklang exakt vor 32 Jahren schon einmal mit der Kapelle unter Blomstedts Leitung. An Frische der Interpretation hat es bei Blomstedt keinen Deut eingebüßt. Die Vitalität des umfangreichen 1. Satzes war schon in der Orchestereinleitung spürbar und wurde von den Solisten, dem Dresdner Klaviertrio (Kai Vogler, Peter Bruns und Roglit Ishay) nahtlos übernommen. Der musikalische Fluss trieb aus reiner Musizierlust auch gerne einmal etwas vorwärts, was Blomstedt aber mit ruhiger Hand wieder in geregelte Bahnen führte. Obwohl man über die kompositorischen Feinheiten des Konzertes durchaus staunen mag, wurde das Tripelkonzert als legeres, spielfreudiges Unterhaltungsstück musiziert. Den Abgrund der Welt sucht der Hörer hier vergeblich. Vogler, Bruns und Ishay musizierten vor allem im gegenseitigen Zuwerfen der Themen vortrefflich, Geschmacksache muss die recht saftige, vibratofüllige Artikulation im Mittelsatz und das doch insgesamt gediegene Tempo des 3. Satzes bleiben. In der 4. Sinfonie f-Moll von Peter Tschaikowsky sind schon eher dramatische Untiefen zu entdecken – Herbert Blomstedt überraschte hier mit einer ganz von den Geschichtchen und Anekdötchen des Umfeldes der Sinfonie losgelösten Interpretation, die einzig auf die Kraft der Musik setzte. Angenehm flotte, aber nie überzogene Tempi und kontrastreiches Musizieren bestimmten das Spiel. Blomstedt setzte nur wenige pointierte Akzente durch sein Dirigat, denn nach 40 Jahren stetigen Aufeinandertreffens kennt man die Zeichen: ein kurzes Heben der Augenbraue genügt und man ist sich einig. In diesem gelassenen und freien Musizieren fängt die Partitur an zu funkeln und so macht Tschaikowsky den Musikern, dem Dirigenten und natürlich auch dem Publikum sichtlich Spaß. Wir freuen uns auf das nächste Wiederhören mit Herbert Blomstedt.
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