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Debüt: Martha Argerich konzertiert mit der Sächsischen Staatskapelle in der Semperoper

Ist es denn zu glauben, dass wir so lange auf Martha Argerichs ersten Auftritt im Semperbau warten mussten? Mit ihr zusammen strahlten die glücklichen Konzertbesucher des 4. Sinfoniekonzertes der Sächsischen Staatskapelle nach dem G-Dur-Klavierkonzert von Maurice Ravel um die Wette. Auftritte der großen Pianistin sind selten und man war sich mit den anderen Besuchern einig: das war einmalig. Vielleicht einmaliger als einmalig, denn bei dieser Interpretation gab es kein Entrinnen; es ist einer dieser seltenen Konzertmomente, in denen man gemeinsam mit Interpret und Komponist auf Tauchstation geht: hinein in die Musik, genussvoll und intensiv.

Argerich rauschte mit Temperament und Verve durch den 1. Satz und nahm den zweiten mit einer solchen Selbstverständlichkeit, als wolle sie den Romantikern und Pathetikern unter ihren Pianistenkollegen die Blutleere ihres überzogenen Spiels demonstrieren. Verrückt nur, dass die Flüssigkeit dieses 2. Satzes keinesfalls das Konzert aus dem Tritt brachte: Allüren und Konventionen Fehlanzeige, stattdessen durchdachtes, bis auf die letzte Note nuanciertes Klavierspiel. Argerich nimmt ernst, was sie spielt und stellt an sich selbst immer noch die höchsten Ansprüche. Dazu kommt als besondere Würze ihr rassiger Anschlag, ihr ganz eigener Umgang mit Phrasierung und Tempogestaltung – unverwechselbar. Mit dem Schweizer Dirigenten Charles Dutoit ist Argerich durch unzählige Konzerte vertraut, diese besondere Verbindung sorgte natürlich auch für eine atemberaubend schöne Begleitung im Orchester und Dutoit überredete Argerich auch zu einer kleinen, feinen Zugabe.

Angesichts dieser famosen Aufführung fiel die kampfesmutig zum Auftakt des Konzertes hingelegte Berlioz-Ouvertüre „Le Carnaval Romain“ etwas hintenüber. Nach der Pause allerdings legte Dutoit in Sachen opulenter Sinfonik nach und die spätromantische Suite „The Planets“ von Gustav Holst ist ein Glanzstück des Dirigenten. Der Kapelle gelang es hier, einen wunderbar verschmelzenden Bläserklang zu erzeugen und gleichzeitig die langen Steigerungen und (bedenklich häufigen) Motivwiederholungen mit Zielwillen und Plastizität auszuformen. Und irgendwann einmal in ferner (?) Zukunft werden wir uns wohl selbst samt samtenem Frauenchor (Damen des Staatsopernchores) zu Holsts Musik im All bewegen und die Vorbilder dieses sinfonischen Naturwunders bestaunen…

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Veröffentlicht in Rezensionen

5 Kommentare

  1. Ich höre mir gerade eine Aufführung von Alban Bergs Klaviersonate mit Shura Cherkassky (1962 Luzern) auf youtube an. Eine wunderbare Interpretation und ich freue mich für dich, dass Du Argerich live erleben konntest und dazu noch mit dem Ravel-Konzert.
    Sie ist für mich noch immer eine Klasse für sich, obwohl ich ihre Nachfolgerin schon entdeckt habe. Valentina Lisitsa:)

    Von Shura Cherkassky habe ich einmal live die Bilder einer Ausstellung gehört. Und die habe ich nie mehr vergessen. Deswegen spiele ich sie lieber selber, als dass ich sie in einer anderen Interpretation höre. Auch wenn ich es selber nicht annähernd technisch beherrsche, ist meine Interpretation die, die ich im Herzen trage. Es ist kein Nachspielen. Es ist einfach das Empfinden, so muss es sein.
    Naja, zu diesem Outing hat mich jetzt der Beitrag über die Argerich gebracht. Sie, Cherkassky, Richter, Gulda sind die Marksteine meiner musikalischen Entwicklung.

    • Lisitsa in einem Atemzug mit Argerich? Das ist ganz schön mutig…

    • Es wundert mich, dass Du das so skeptisch siehst. Gut, ich kenne nur die Youtube-Einspielungen von ihr.
      Aber sowohl:
      Scarbo,
      Hammerklaviersonate
      Schubert-Impromptu
      kommen für mich so, wie ich sie hören will und leider selbst nicht so spielen kann. (Vom Schubert vielleicht abgesehen, den könnte ich schon erüben)
      Dabei geht es mir gar nicht so sehr um die Technik sondern um ihre Interpretation.
      Natürlich ist die Argerich schon einige Jahre älter:)
      Und verdrängen wird sie sie auch nicht, aber Konkurrenz sehe ich nicht so viel, obwohl mir die Pires auch sehr gut gefällt.
      Mitsuko Uchida, die ich zwar persönlich sehr mag, sie war auch einmal bei mir zuhause, hat da lang nicht die Ausstrahlung, die Lisitsa für mich aufweist.
      Aber wie sagt man: über Geschmäcker lässt sich schwer streiten.

      Und das erinnert mich an einen Programmtext zur Götterdämmerung. Da ist ein Gespräch mit Bechtold und Welser-Möst zitiert, welches mit der Aussage von Eduard Hanslick beginnt, dass in der Götterdämmerung kein neuer, musikalischer Inhalt mehr ist.
      Das wird von beiden bestätigt. Die Motive gab es schon alle. Die kann man in 3 Minuten aufzählen und dann ist die Oper aus. Nachsatz: wahrscheinlich war das das Einzige, was dem Hanslick noch eingefallen ist, um die GD schlecht zu machen.

    • …ich suche ja gar nichts „Neues“ bei der Pianistin…kenne auch nur das, was ich bei youtube gesehen habe, und da fehlt mir was, ohne dass ich es momentan näher beschreiben könnte. Kann das gerne aber auch einmal anhand einzelner Stellen der Stücke klarer formulieren, falls erwünscht…

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