3. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie
In Musik gesetzte Philosophien, Konversationsstücke und Glühwein, das ging am zweiten Adventswochenende nicht unbedingt gut zusammen. So ließen sich die Massen von den offenen Türen des Kulturpalastes am Sonnabend kaum verführen: Stollen statt Strauss war die Devise. Unverdrossen von den nur spärlich besetzten Reihen musizierte die Dresdner Philharmonie im Zykluskonzert ein Programm, dass es in sich hatte: gleich im ersten Teil erklang die großformatige sinfonische Dichtung „Also sprach Zarathustra“. Richard Strauss‘ Nietzsche-Phantasien mit den durch Stanley Kubricks Zweitverwertung allseits bekannten ersten vier Partiturseiten war zwar von den Musikern mit großem Engagement musiziert und von Chefdirigent Rafael Frühbeck de Burgos auswendig und souverän angeleitet, doch im Ergebnis blieben Wünsche offen. Sicherlich ist dieses Werk nicht eine der im Vorübergehen zu bewältigenden Partituren, und es gab auch reichlich gelungene Passagen zu genießen, wie etwa die verschlungenen solistischen Themendurchführungen der Streicher oder das wunderlich-verklärte Fugato. Doch trotz der jederzeit klaren Zeichengebung von Frühbeck de Burgos waren manche Passagen nicht optimal getroffen oder ließen die notwendige Leichtigkeit vermissen, auf der Spannung und absolut gemeinsame Zielfindung erst entstehen kann. Im zweiten Teil des Konzertes waren die sinfonischen Ansprüche dann nicht ganz so hoch. In den Begleitaufgaben und im zarteren Schmelz der Spätwerke des Komponisten war das Orchester sehr viel lockerer und nun auch homogener, so dass man über die Organisation hinaus ein viel feineres Klanggewebe wahrnehmen konnte. Die „Vier letzten Lieder“ haben eine reiche Rezeptionsgeschichte und gehören zu absoluten Glanzstücken vieler großer Sängerinnen. Die Sopranistin Michaela Kaune nahm sich der luziden Atmosphäre mit fast zu viel Respekt und Innigkeit an – erst im dritten Lied öffnete sie ihre Stimme zu größerer Klangentfaltung. Doch zwang gerade ihre Zurückhaltung zum Hinhören, zum Versenken in Text und Musik, nur leider ist dies unter den derzeitigen akustischen Bedingungen im Saal kaum möglich, so dass im Ergebnis die wirkliche Intensität der Lieder kaum zum Zuhörer dringen konnte, so sehr sich auch Kaune und das Orchester um Modellierung und tragfähigen Klang bemühten. Anders lag die Sache bei der Schlussszene aus dem späten Einakter „Capriccio“ – hier zeigte Michaela Kaune Opernblut und formte den gräflichen Schlussmonolog mit höchster Intensität und natürlich fließenden Linien. Ratlos steht man jedoch nach dem Konzert der sorglosen Programmdramaturgie gegenüber. Anstelle in Bezug auf das ohne Bühnenwirkung ohnehin schwer verdauliche „Capriccio“ schamhaft auf ein „irritierendes“ Stück im Programmheft hinzuweisen, empfiehlt sich die kontroverse, gewinnbringende Auseinandersetzung mit den Zeitläuften. Warum nicht einmal einen ganzen Konzertabend unter das Thema „Musik und Philosophie“ stellen? Warum nicht die letzten Lieder verschiedener Komponisten betrachten? Und schließlich: warum wird angesichts von Musik aus dem Jahr 1942 nicht über den Garmischer Tellerrand geschaut? Dies würde die Menschen im Konzert wieder miteinander ins Gespräch und zu tieferem Verständnis der Musik bringen. Strauss‘ „Flucht in die Ablenkung“ hinterließ in dieser konzertant-unkommentierten Darreichungsform nur schlechten Nachgeschmack.
Ein Kommentar