Möchten Sie in diesem Jahr einmal einen Klavierabend hören, bei dem keinesfalls der Jubilar Frédéric Chopin auf dem Programm steht? Schwierig, aber nicht unmöglich – einen solchen haben Sie offenbar beim Lesen dieser Zeilen gerade verpasst. Dabei wehte der Hauch des romantischen Klavierkomponisten durchaus durch den Raum des Geschehens – schließlich fanden sich der Interpret Winfried Apel und das Publikum in der Villa Teresa von Eugen d’Albert in Coswig zusammen, um vor allem der Musik des 19. Jahrhunderts zu huldigen.
Viele Besucher schätzen die Atmosphäre der Villa vor allem, weil der bürgerliche Salon hier mehr als gegenwärtig ist. Väterchen Liszt grüßt von der Wand hinter dem Flügel, aber auch auf seine Werke wurde verzichtet. Stattdessen wartete Pianist Winfried Apel am Freitagabend mit einem abwechslungsreichen Programm auf, als Hauptwerk des zweiten Teils erklangen die „Symphonischen Etüden“ von Robert Schumann.
Wollte man für den ersten Teil einen einenden Begriff finden, so wäre „Farbe“ angebracht. So unterschiedlich die Kompositionen auch sein mochten – Apel hatte keinerlei Mühe, spezifische Farben der Stücke zum Leuchten zu bringen. Während Brahms‘ Erdungen in den Capricci aus Opus 76 dem Thürmer-Flügel eher schwierig zu entlocken sind, kam die leicht dunkle Färbung der 6. Skrjabin-Sonate sehr entgegen. Immer wieder sank Apel in die anrollenden Wellen dieser Musik hinein und formte aus der Einsätzigkeit einen Gedankenstrom, der vom Komponisten nur an wenigen Stellen zu offen loderndem pianistischem Feuer entfacht wird.
Sorgfältig ausmodelliert gelangen dann vier Stücke aus den „Préludes“ von Claude Debussy. Apels Interpretation überzeugte durch gut angelegte Kontrastierung sowohl der rhythmischen als auch der dynamischen Ebenen. In „La puerta del vino“ und in „Feux d’artifice“ wurden die kleinen Geschichten und Inspirationen, die Debussys Stücken zugrundeliegen, äußerst plastisch erzählt.
Nach der Pause widmete sich Winfried Apel den „Symphonischen Etüden“ von Robert Schumann. Hierbei wirkte der erste Konzertteil nach, denn auch hier sind kleine Gemälde und Charakterstücke versteckt, die alle einer eigenen Zeichnung bedürfen. Den raschen Wechsel der Temperamente vollzog Apel in natürlicher Weise und rang dem jungen Schumann sogar einiges an klassischer, fast beethovenesker Strenge ab. Besonders in den kantablen Variationen des Themas erlaubte sich Apel die Überschwänglichkeit des Melodischen, die Leidenschaft, die auch Freiheiten am Klavier ermöglicht. Dieses Atmen in der Musik nahm er mit bis ins hämmernd-optimistische Finale dieser noch kaum zweifelnden Komposition. Für diesen pianistisch sehr anspruchsvollen Abend dankten Winfried Apel die Zuhörer mit großem Applaus, Apel seinerseits bedankte sich meisterlich mit einer sanft perlenden Debussy-Etüde.
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