Am Sonnabend gastiert die argentinische Cellistin und zweifache ECHO-Klassik-Preisträgerin Sol Gabettain der Dresdner Frauenkirche. Sie wird das Cellokonzert des britischen Komponisten Sir Edward Elgar (1857-1934) spielen, das auch auf ihrer jüngsten CD-Veröffentlichung enthalten ist. Alexander Keuk sprach mit der Künstlerin.
Sie haben schon öfter in Dresden gespielt – gefällt es Ihnen in der Stadt?
Ja, ich freue mich immer wieder hier zu sein. Die Stadt hat große Fortschritte gemacht – es ist viel wiederaufgebaut und die Menschen haben Vertrauen in ihre Stadt. Insofern ist es sehr eindrücklich für mich, in der Frauenkirche zu spielen, auch zum wiederholten Male. Außerdem habe ich in Dresden einen sehr guten Bogenbauer gefunden. Ich schaue mich auch gerne in der Stadt um, wenn dafür Zeit ist. Das ist leider diesmal kaum möglich, wir sind auf einer großen Tournee unterwegs…
Es gibt aber noch eine Verbindung nach Dresden, ihre „cantabile“-CD mit Opernmelodien trägt die Handschrift eines Dresdner Arrangeurs…
Ja, das ist Manfred Grafe, wir haben die CD damals in Prag aufgenommen. Er hat viele Stücke, die auf der CD zu hören sind, für mich arrangiert und hat auch gerade wieder Stücke von Prokofieff bearbeitet; er kennt die Musik genau und geht sehr liebevoll damit um.
Das berühmte Cello-Konzert von Edward Elgar, das Sie in Dresden spielen werden, klingt in Ihren Händen intensiv und dennoch sehr unangestrengt – entfaltet sich diese romantische Musik von selbst?
Ich habe das Stück sehr oft gespielt und nun auch die CD aufgenommen. Es ist hier nicht so sehr das Technische oder die Kraft, was Anstrengung bedeutet, sondern die Emotionalität. Man muss diese Welt von Emotionen, die Elgar in der Zeit am Ende des 1. Weltkriegs erlebt hat, nachempfinden und ausdrücken können. Das Stück fängt eigentlich sehr selbstsicher mit den berühmten Akkorden an und genauso selbstsicher endet es, aber dazwischen schwimmt es oft in einer Melancholie und die Musik dreht sich wie in einer Spirale. Es gibt viele abrupte harmonische Schnitte, es scheint fast unlogisch komponiert. Man konnte eben nach dem Krieg nicht einfach die Musik feiern wie Elgar es früher selbst in pompöser Weise getan hat. Diese Art von extremer Emotion an jedem Konzertabend neu aufzubauen, das ist sehr schwierig. Man muss sich komplett hingeben.
Behalten Sie bei dieser stark emotionalen Arbeit auf der Bühne den Kontakt zum Publikum?
Ja natürlich, das spürt man immer. Man kann sich aber auch täuschen lassen, manchmal ist das Publikum sehr weit weg oder man hat mit dem Raum und der Akustik zu tun. Es ist immer eine physische Distanz da und im Idealfall sollte man die Energie trotzdem spüren – es ist wie wenn man ein Bild betrachtet, da gibt es meist auch einen idealen Punkt der Distanz, an dem man alle Nuancen wahrnimmt. Es ist am schönsten, wenn sich diese Energien übertragen und die Leute auch emotional betroffen sind und so etwas mitnehmen von der Musik.
Vom Zeitpunkt der CD-Aufnahme bis heute hat sich das Stück sicher auch noch einmal verändert?
Natürlich, es ist immer so, dass auch die eigene Biographie und Erfahrungen stets mit einfließen. Wenn ich ein Stück ein Jahr nicht gespielt habe und hole es wieder heraus, klingt es dennoch ganz anders und hat eine Entwicklung hinter sich – die Entwicklung meiner Person eben, die dann dem Stück wieder ein ganz neues Profil gibt. Das ist auch eine Herausforderung, zu sehen, welche Stücke mit der Zeit wachsen, und welche nicht. Die Erfahrungen des Lebens reflektieren sich immer in der Musik…
Auf der Elgar-CD haben Sie auch das „Cellobuch“ von Peteris Vasks eingespielt, ein modernes, faszinierendes Werk…
Das wollte ich seit langer Zeit schon aufnehmen und habe nach einer passenden Kombination gesucht. Obwohl das Stück aus einer ganz anderen Zeit wie Elgar kommt, ist es in der offenen Emotionalität sehr nah. Es ist Musik unserer Zeit, aber es ist wie bei Elgar Hölle und Himmel beieinander und im Kontrast. Vasks wird auch ein Cellokonzert für mich schreiben. Er schreibt sehr leicht, es sind wenige Töne, aber diese sind immer sehr intensiv, weil dort eine spirituelle Atmosphäre entsteht.
In diesem Stück singen Sie auch zu einer Cello-Melodie. Wann kommt ihre erste komplette CD mit Liedern heraus?
Ehrlich gesagt, habe ich als Kind in Argentinien sehr viel gesungen, im Kinderchor und in der Schule. Mit 10 Jahren kam ich nach Europa und habe dann nicht mehr soviel gesungen. Durch dieses Stück bin ich eigentlich auch wieder zum Singen gekommen. Ich will gar keine professionelle Sängerin werden, aber die Freiheit des Singens, die körperliche Empfindung und der pure Klang einer Stimme ist etwas sehr Schönes und das möchte ich mir für mich selbst erhalten.
In Argentinien gibt es sehr viele gute Chöre, ist die Musikausbildung dort auf einem ähnlichen hohen Level, wie wir es etwa aus Venezuela, von „el sistema“ kennen?
Nein, in Argentinien gab es diese Strukturen nicht. Ich selbst habe sehr sehr früh mit der Geige angefangen. Mit viereinhalb kam das erste Cello zu mir, es war damals ein halbes Cello und es war eigentlich viel zu groß für mich, fast wie ein Kontrabass. Ich habe dann aber die Stücke, die ich kannte, einfach ausprobiert und das Cello blieb bei mir, denn das Spielen wurde später immer leichter und einfacher.
Sie spielen nun ein 250 Jahre altes, wertvolles Guadagnini-Cello…
Das ist ein Riesenglück, dass ich dieses Cello spielen darf. Es ist wie eine Verlängerung meiner Stimme. Ich merke sofort, wenn das nicht so ist. Manchmal schreit ein Instrument, auf den hohen Saiten etwa. Ich habe lange gesucht, bis ich ein Instrument fand, dass laut ist, aber eben nicht schreit. Es gibt leider noch überkommene Ansichten von Kammermusik, früher stand der Solist meterweise vor dem Klavier und das Klavier wurde zur Begleitung degradiert. Kammermusik ist ein Miteinander und ich verstehe die Leute nicht, die ein Cello wie eine Trompete hören wollen. Mein Cello hat eine unglaubliche Wärme und es ist auch genügend laut, aber es ist auch im Dvorak-Konzert nicht als Trompete komponiert.
Sie haben in diesem Jahr einen randvollen Kalender mit Tourneen, Festivals und Konzerten, zudem unterrichten Sie in Basel – wo fühlt sich die Argentinierin Sol Gabetta zu Hause?
In der Schweiz. Argentinien ist etwas anderes, ich lebe seit 19 Jahren in Europa und ich bin schon als Kind dort weggegangen. Ich fühle mich zwar verbunden, wenn ich dort bin. Aber dann bin ich zurück in meiner Kindheit und sehe die Landschaft und Häuser immer noch als Kind. Auch die Freundinnen von damals sind ja in meinem Kopf immer noch kleine Kinder, dabei sind sie längst verheiratet. Mein Leben passiert in Europa. Die Schweiz ist ein Mittelpunkt geworden, ich habe nun ein Haus mit meinem Freund, unterrichte in Basel und wir haben ein eigenes Festival in der Region. Es ist wichtig, einen Mittelpunkt zu haben, man kann nicht nur im Hotel leben, sonst verliert man sich selbst. Ich habe einmal einen Kollegen getroffen, der nur im Hotel lebt. Ich war geschockt, wie kann man denn so leben? Ich war an Ostern 10 Tage zu Hause, das war phänomenal – der Frühling geht los, ich habe die Sonne genossen und wieder richtig aufgetankt. Man braucht diese Tage einfach für die eigene Energie.
Vielen Dank für das Gespräch.
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Konzert 17. April, 20 Uhr Frauenkirche
Sol Gabetta und das Kammerorchester Basel, Leitung Paul McCreesh
CD-Tipp: Sol Gabetta spielt Elgar, Dvorak, Respighi, Vasks
Danish National Symphony Orchestra, Mario Venzago, RCA (Sony Music)
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