Camille Saint-Saëns Orgelsinfonie im Frauenkirchen-Kapellkonzert
Wie bekommt man Freunde der Orgelmusik und Freunde der hochromantischen Sinfonik an einen Tisch? Oder anders gefragt: wie läßt sich die Frauenkirche fast bis auf den letzten Platz füllen? Richtig: man spielt die 3. Sinfonie c-Moll Opus 78, die „Orgelsinfonie“ von Camille Saint-Saëns, einen imposanten Klassiker, der dennoch aufgrund seines Aufwandes selten erklingt. Wenn Raum, Orgel und Orchester dann noch eine so glückliche Verbindung eingehen, wie im Kapellkonzert am Sonnabend, das im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele stattfand, sind die Zuhörer begeistert. Der Kanadier Yannick Nézet-Séguin, mehrfach bereits Gast der Sächsischen Staatskapelle, leitete eine überzeugende Aufführung, die trotz der bekannten akustischen Schwierigkeiten für den Orchesterklang das Optimum erreichte. Nézet-Séguin sparte nicht mit Vorwärtsdrang, legte die feurigen letzten beiden Sätze mit straffem Tempo und ordentlich Pomp an, ließ aber in den immer wieder sanft aufsteigenden Streicherthemen Ruhe walten. Es war keine Überraschung, dass sich die Kern-Orgel gleichrangig in den Orchesterklang mischte. Samuel Kummer sorgte für eine jederzeit präsente Farbgebung ohne das Instrument im Tutti verschwinden zu lassen, der warme Soloeinsatz im langsamen Satz geriet andächtig. Mit vollem Werk der Orgel und kraftvollem Einsatz von Schlagzeug und Blechgruppe war somit großer Beifall am Ende garantiert. Vor der Pause stand ein weiterer Klassiker auf dem Programm. Die hoch gelobte Geigerin Arabella Steinbacher sprang für den erkrankten Leonidas Kavakos in Ludwig van Beethovens Violinkonzert als Solistin ein. Während Saint-Saëns allerdings natürlich musizierten Esprit versprühte, entschieden sich Nézet-Séguin und Steinbacher bei Beethoven für die denkbar langsamste Variante der Darbietung. Natürlich gibt es kein abgesichtertes Falsch oder Richtig in der Tempowahl, aber zumindest Beethovens Tempoangaben und die rhythmisch-motivische Anlage geben eine Richtung vor. Doch im 1. Satz hatte bereits die Einleitung tiefromantischen Charakter und ein klar durchgehaltenes Allegro non troppo war dies keinesfalls: Steinbacher retardierte an jedem Phrasenende, insbesondere am Übergang zur Durchführung und bei triolischen Figuren. Nézet-Séguin folgte mit raumschwelgerischem Ausbreiten der Themen, so dass irgendwann auch die Tuttipassagen nicht mehr präzise genug gerieten. Das Larghetto geriet im völligen Adagio-Duktus einige Male fast zum Stillstand. Der Vorteil dieses Musizierens lag natürlich auf der Hand: Steinbacher konnte im Kirchenraum mit großem Klang und absolut sauberer Intonation intensivst gestalten, fremdartig wirkte dann die plötzliche Virtuosität der Kreisler-Kadenzen. Die Brillanz des Werkes blieb dem klar und frisch gespielten 3. Satz vorbehalten. Wieviel Feuer in der Solistin loderte, zeigte die zugegebene „Obsession“ von Eugène Ysaÿe. Eine wenig mehr dieser nach vorne gerichteten, spannungsgeladenen Haltung hätte der Beethoven-Interpretation gutgetan.
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