Theatre of Voices mit Werken von Arvo Pärt und Alter Musik in der Frauenkirche
Es war vielleicht eines der außergewöhnlichsten Konzerte der Musikfestspiele. Kompositionen von Arvo Pärt gepaart mit Meistern der frühen Vokalpolyphonie, das musste unter die Haut gehen. Erst recht, wenn dasfür so kundige Protagonisten wie das Vokalensemble „Theatre of Voices“ unter Leitung von Paul Hillier angekündigt waren. In Quartettbesetzung präsentierte sich das englische Ensemble, dass sich seit Jahren der zeitgenössischen und parallel der alten Musik widmet, woraus besondere Spannungen und Qualitäten entstehen.
Die Nabelschau der Töne in diesem Konzert fiel sehr meditativ aus und endlich war ein akustisches Labsal in der Frauenkirche zu vernehmen: vier Singstimmen und vier Streichinstrumente genügen völlig, um den Raum in eine spirituelle Atmosphäre zu tauchen – Augen schließen war angebracht, denn ansonsten würden Architektur und Komposition weidlich aneinandergeraten. Bei „Theatre of Voices“ ist die angenehm-respektvolle Grundhaltung zur Musik immer spürbar, so gerieten zu Beginn Perotins Verse „O mira novitas“ zu einer freundlichen Aufforderung, in die geheimnisvollen sakralen Welten einzusteigen.
Im Ensemble machte sich im Laufe des Konzertes eine leichte akustische Dominanz des Soprans (Else Torp) bemerkbar, doch fiel das kaum ins Gewicht, da auch die anderen Sänger (William Purefoy, Chris Watson und Paul Hillier) mit geraden, gut geführten Stimmen gestalteten. Die Ausgewogenheit in der Ausgestaltung der oft blockhaften Abschnitte schien bei der Erarbeitung der Werke im Vordergrund zu stehen – das ist für manche Pärt-Kompositionen wie die „Missa Syllabica“ förderlich, um eine extreme Selbstverständlichkeit zu erzeugen und die Spannung zwischen Musik und Text auszugleichen.
Andererseits, das war im abschließenden „Stabat Mater“ dann doch spürbar, führt die Entscheidung zur stetigen Weichheit des Klanges zu etwas flacherer Emotion: wo Pärt Dissonanzen, Akzente, plötzliche Homophonie zur Interpretation anbietet, hätte ich mir stärkere, impulsivere Ausdeutung gewünscht. So war das lebendigste, verschlungenste Werk ausgerechnet ein „Veni creator spiritus“ von Guillaume de Machaut, vollendeter Beweis, wie Jahrhunderte vor Bach kunstvoll gesetzte Mehrstimmigkeit zum Ausdruck tiefen Glaubens geschaffen wurde. Eine ähnliche Beweglichkeit der Stimmen weist Pärts „Wallfahrtslied“ auf – ein Weg muss gegangen werden, ein Ziel ist vor Augen: die Pilgerfahrt bleibt hier den Streichern vorbehalten, während Tenor und Bass eine gerade Text-Linie zeichnen.
Das estnische NYYD-Quartett war unglaublich gut in seinem Einfühlungsvermögen für die Sänger und in der eigenen Gestaltung der Töne der Pärt-Werke, bei denen die Streicher zum Teil weitere Gesangsstimmen übernahmen. Etwas betrüblich war, dass das Publikum die Stille nach den einzelnen Stücken nicht immer genießen mochte – am Ende breitete sich freudiger Dank für die hochklassige Darbietung aus.
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