Moritzburg Festival mit Werken des 19. Jahrhunderts
Kurz vor dem Endspurt vom Moritzburg Festival befinden sich Musiker und Zuhörer tief in den Gefühlswelten der romantischen Kammermusik – ein rein dem 19. Jahrhundert gewidmeter Konzertabend spannte am Mittwoch einen Bogen vom 1811 entstandenen Streichquintett von Mendelssohn bis hin zur 1. Violinsonate von Camille Saint-Saëns. Dieses 1885 komponierte Werk atmet schon die großen Flächen der kurz danach entstandenen berühmten Orgel-Sinfonie und wirkt auch trotz der Duo-Besetzung durchaus machtvoll-sinfonisch. Im Künstlerporträt vor dem Abendkonzert stellten sich Viviane und Nicole Hagner mit diesem Werk vor – die Schwestern verstehen sich musikalisch gut und ihre Temperamente ergänzen sich dort famos, wo emotionales Spiel Flexibilität verlangt. So gelang eine packende Darstellung, die aber noch etwas mehr Präzision und rhythmische Basis in schnellen Passagen vertragen darf. Drei großen Komponisten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Konzert im Speisesaal gewidmet – Jubilar Robert Schumann machte den Anfang, wobei seine „Märchenerzählungen“ einen verhalten-melancholischen Auftakt bildeten. In der schwierigen Akustik des Saales kam es in den vorgestellten Werken ohnehin auf Konturen und Zwischentöne an – dies gelang in Schumanns Werk Charles Neidich (Klarinette), Kyle Armbrust (Viola) und Oliver Triendl (Klavier) vortrefflich, lediglich die Bratsche hätte präsenter sein dürfen. Neidich verstand es, einen fast streicherhaften Ton auf der Klarinette zu erzeugen, der sich optimal einband und viele Nuancen des Klanges bot. Dieses außerordentliche Spektrum bot er auch im folgenden Werk, dem Klarinettenquintett B-Dur von Carl Maria von Weber, seinen Musikerkollegen feil. Wohl ist die Klarinette hier der selbstbewusste Primarius, doch das Quartett aus Kai Vogler, Friederike Starkloff, Kyle Armbrust und Henri Demarquette sorgte eben genau für die Zwischentöne, die etwa den delikaten 2. Satz bestimmten oder Scherzo und Finale vor unbändiger, dennoch kontrollierter Musizierlust strotzen ließen. Es waren (wenige) Passagen der Streicher, die mehr Schärfe vertragen hätten, aber die Interpretation war mit Recht nicht auf Äußerlichkeiten aus, sondern zum wirklichen Hin-Hören gedacht. Keine Phrase verlor sich im Nebenbei, sondern war stets der Melodielinie nachempfunden und ausphrasiert – so erhielt das Werk Ruhe und Kraft. Im Streichquintett A-Dur Opus 18 von Felix Mendelssohn Bartholdy setzte sich (trotz veränderter Besetzung mit Karen Gomyo, Valeriy Sokolov, Benjamin Rivinius, David Aaron Carpenter und Li-Wei Qin) das konzentrierte, hochrangige Spiel fort. Die Dynamik war allerdings zwischen der sehr kraftvoll agierenden Kanadierin Karen Gomyo an der 1. Violine und dem Rest des Ensembles zu oft unausgewogen. Zwar ist die Führungsposition des höchsten Instrumentes bei Mendelssohn unbestritten, doch gerade polyphone Passagen sowie Themenvariationen in den tieferen Instrumenten waren dynamisch zu schwach. Eine Ausnahme bildete das fugierte Scherzo: hier meinte man im famos ausgehaltenen Pianissimo kleine Geister tanzen zu hören. Die unerschöpflichen Bilderwelten und Ausdrucksspektren der Kammermusik brachte dieser Abend jedenfalls vortrefflich zur Entfaltung.
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