2. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie
In einem Interview äußerte ein bekannter Dirigent kürzlich, Brahms sei für die Orchester „das tägliche Brot“. Wirklich sind die Werke des Komponisten dankbar und herausfordernd in allen Bereichen; sie demonstrieren die Kultur eines Orchesters und laden gleichzeitig ein, die Bandbreite des romantischen Ensembleklangs zu zeigen. Insofern ist der Brahms-Zyklus zu Beginn der Spielzeit bei der Dresdner Philharmonie mehr als nur bloße Gefälligkeit gegenüber dem Publikum. Zudem sollten die vier kleinen Uraufführungen neue Beziehungen zum Werk von Brahms eröffnen. Im vierten Beispiel am Sonnabend im 2. Zykluskonzert gelang das bei der „BRAHMSFARE“ des Spaniers Alejandro Yagüe (geb. 1947) allerdings nicht.
Die Unentschlossenheit im Charakter der Komposition spiegelte sich auch in einer nicht sehr eindeutigen Interpretation wider; der Tonsatz war traditionell, weder die Brahms-Kommentierung noch ein Fanfarenduktus wollte sich mitteilen. Mit dem Stück konnte auch das Publikum nichts anfangen – ein recht müder Applaus war die Folge.
Im Mittelpunkt des Konzertes stand (nach einer krankheitsbedingten Absage im vorangegangenen Konzert) das Gastspiel von Nelson Freire mit dem 2. Klavierkonzert B-Dur. Auf diesen Markstein des romantischen Konzertes freute man sich, zudem Freire als überaus renommierter Brahms-Interpret gilt. Nach einer fast unauffälligen Einleitung startete Freire mit kernigem, robustem Spiel und grenzte die lyrischen Passagen der ersten beiden Sätze davon deutlich ab. Eine beseelte Partnerschaft mit Chefdirigent Rafael Frühbeck de Burgos und der Dresdner Philharmonie wollte sich dennoch nicht entwickeln, im Verlauf des Konzertes war die Suche nach diesem gemeinsamen Nenner dann auch zu oft offenliegend. Freire nahm sich viele Freiheiten in den Tempi, zog in Solopassagen und vor allem im Schlusssatz enorm an. Diese starken Charakterschwankungen vollzog das Orchester nicht mit – es fehlte an tiefergehender thematischer Ausgestaltung, Unstimmigkeiten in Tuttipassagen des Orchesters und am Schluss der ersten beiden Sätze gesellten sich hinzu. Im sehr zurückgenommenen Poco Adagio des langsamen Satzes blitzte dann plötzlich Noblesse auf, doch dem 4. Satz fehlte eine metrisch gestützte Ruhe. So blieb ein wenig geschlossener Eindruck, sowohl beim Pianisten als auch im sinfonischen Part.
Mit der Aufführung der 4. Sinfonie e-Moll Opus 98 endete der Brahms-Zyklus dieser Saison. Von der eher mühsamen Arbeit des ersten Konzertteils war nun nichts mehr zu spüren, Frühbeck de Burgos gelang es, das Orchester frei und temperamentvoll aufspielen zu lassen. Auffallend war wiederum der in vierfacher Verstärkung recht markige Holzbläserklang – trotz Verständnis für die akustischen Gegebenheiten im Kulturpalast verändert dieser Eingriff in die Partitur den Gesamtklang spürbar. Im Programmheft sollte zumindest auf die Originalbesetzung hingewiesen werden, denn mit der Verstärkung des Orchesterapparates seit Wagner und Strauss ging ja auch eine Differenzierung der Instrumentationstechnik einher, womit man Brahms mit bloßer Tutti-Verdopplung keinen Gefallen tut. Insgesamt war die Interpretation der 4. Sinfonie jedoch eine runde Sache: mit dem wunderbar feinsinnig musizierten Allegro giocoso und der von Frühbeck de Burgos mit vorwärtsdrängendem Impetus dargestellten Passacaglia am Schluss der Sinfonie gelang so ein überzeugender Ausklang des Konzertes.
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